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Müde und kranke US-Präsidenten
Aus Echo der Zeit vom 07.03.2024. Bild: REUTERS/Amanda Andrade-Rhoades
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Alter im US-Wahlkampf US-Präsidenten: müde, krank und alt

Joe Biden ist nicht der erste US-Präsident, dessen Eignung infrage gestellt wird, weil er alt ist. Doch manche seiner Vorgänger konnten Krankheit und Alter besser verbergen.

Mit seinen 81 Jahren ist Joe Biden der bislang älteste US-Präsident. Und das Alter ist für ihn in diesem Wahlkampf längst zum grossen Problem geworden. Dabei ist Biden nicht der erste Präsident mit einem Alters- oder Gesundheitsproblem. Das zeigt ein Blick in die Geschichte der USA.

Woodrow Wilson muss sehr erschöpft gewesen sein: Der Demokrat war seit über sechseinhalb Jahren im Amt, er hatte die USA durch den Ersten Weltkrieg geführt. Am 2. Oktober 1919 erlitt er einen schweren Hirnschlag. Wilson war nun bettlägerig und halbseitig gelähmt. Seine Frau Edith kontrollierte zumindest teilweise, und natürlich inoffiziell, die Regierungsgeschäfte. Die Amtsunfähigkeit Wilsons wurde geheim gehalten.

Es ist heute unvorstellbar, dass ein Präsident auch nur 48 Stunden lang verschwinden könnte, ohne dass globale Finanzmärkte einbrechen würden.
Autor: Jeffrey Engel Historiker

Der Präsident sei monatelang von der Bildfläche verschwunden, sagt der Historiker Jeffrey Engel von der «Southern Methodist University»: «Es ist heute unvorstellbar, dass ein Präsident auch nur 48 Stunden lang verschwinden könnte, ohne dass globale Finanzmärkte einbrechen würden. Das Land käme zum Stillstand und würde sich fragen, was mit dem Präsidenten los ist.» Doch in einer Zeit vor den modernen Massenmedien war es einfacher, den wahren Zustand eines Präsidenten zu verschleiern.

Wilson am Schreibtisch sitzend und seine Frau, Edith Wilson, hinter ihm stehend.
Legende: Edith Wilson sprang nach dem Hirnschlag ihres Mannes ein und übernahm einen Teil der Regierungsgeschäfte. IMAGO / Everett Collection

Ein Foto von damals zeigt, wie Edith hinter ihrem Mann steht. «Es sollte dem amerikanischen Volk zeigen, dass der Wilson immer noch fit war und hart arbeitete», sagt Engel, der spezialisiert ist auf die Geschichte der US-Präsidenten. Was auf dem Bild nicht zu sehen sei: Edith habe ihren Mann praktisch aufrecht halten müssen. «Wenn es davon schon Videoaufnahmen gegeben hätte, hätte sich das nicht verbergen lassen», so Engel.

Wilson trat nicht zurück und blieb bis 1921 im Amt. Erst 1967 konkretisierte ein Verfassungszusatz, wie und wann ein Vizepräsident oder eine Vizepräsidentin übernimmt, wenn ein Präsident (vorübergehend) amtsunfähig wird.

Todkrank: Franklin D. Roosevelt

Noch zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde der Gesundheitszustand eines Präsidenten verschleiert. Franklin D. Roosevelt, bei dem 1921 Polio diagnostiziert worden war, war auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch es wurde darauf geachtet, dass es nur wenige Bilder von ihm gibt, die ihn darin zeigen. Die US-Verfassung schrieb damals noch keine Amtszeitbeschränkung für Präsidenten vor.

Und als «FDR» zum vierten Mal antrat, war der Demokrat bereits über elf Jahre im Amt. Der 62-Jährige sei bei guter Gesundheit, hiess es 1944 von seinem Arzt. Tatsächlich war Roosevelt schwer krank. «Es ist einer der grossen Skandale in der US-Geschichte, dass Roosevelt noch einmal aufgestellt wurde», sagt Historiker Engel von der «Southern Methodist University». «Die Ärzte, die ihn untersuchten, waren entsetzt – und erklärten: Er wird eine vierte Amtszeit nicht überleben.» Roosevelt wurde am 20. Januar 1945 ein viertes Mal ins Amt eingeführt. Keine drei Monate später starb er an einer Hirnblutung.

Krank aussehender Franklin D. Roosevelt sitzt an einem Tisch und hat ein Blatt Papier in der Hand.
Legende: Franklin D. Roosevelt verstarb, während seiner vierten Amtszeit, 1945 infolge einer Hirnblutung. Bettmann / Kontributor

Wer US-Präsident werden will, muss beim Amtsantritt laut US-Verfassung mindestens 35 Jahre alt sein. Es gibt jedoch keine Obergrenze, obwohl eine grosse Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner eine solche Altersgrenze, laut einer Umfrage des «Pew Research Centers», befürwortet. Tatsächlich darf man sich fragen, inwiefern alte Männer dem Präsidentenamt gewachsen sind.

Auch Präsident Dwight D. Eisenhower stellte sich diese Frage. In seinem Tagebuch brachte er 1954 etwas zu Papier, das gegen eine zweite Kandidatur sprechen würde: «Die Wahrscheinlichkeit, dass ein 70-jähriger Mann unter einer Last zusammenbricht, ist grösser als bei einem 50-jährigen Mann.» Eisenhower war damals 64 Jahre alt, aus heutiger Sicht geradezu jung. Eisenhower kandidierte noch einmal. Dass er 1955 einen Herzinfarkt erlitt, verdeutlicht aber vielleicht, wie hoch der Druck des Amtes ist.

Ich werde das Alter nicht zu einem Wahlkampfthema machen.
Autor: Ronald Reagan Ehemaliger US-Präsident

Es war aber das Massenmedium Fernsehen, das das Alter eines anderen Präsidenten 1984 in den öffentlichen Fokus rückte: Der Republikaner Ronald Reagan war mit 73 Jahren der bis dahin älteste Präsident. Reagan, der für eine zweite Amtszeit kandidierte, gab in einer TV-Debatte mit seinem jüngeren Rivalen Walter Mondale fahrige, langfädige Antworten.

Auch das konservative «Wall Street Journal» warf die Frage auf, ob Reagan zu alt sei. Doch in der zweiten TV-Debatte entschärfte Reagan das Thema – mit Humor. «Ich werde das Alter nicht zu einem Wahlkampfthema machen», erklärte Reagan. «Ich werde das jugendliche Alter und die geringe Erfahrung meines Gegners nicht politisch ausnützen!» Selbst sein Gegner musste, gut sichtbar für das Fernsehpublikum, lachen. Reagan wurde überragend wiedergewählt. Erst nach seiner Amtszeit wurde bei Reagan die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. Ein Teil der Historiker glaubt aber, er habe bereits während seiner zweiten Amtszeit Symptome gezeigt.

Video
Archiv: US-Präsident Bidens Umgang mit seinem Alter
Aus 10 vor 10 vom 08.03.2024.
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Unter Dauerbeobachtung: Joe Biden

Präsident Biden wird das Thema Alter nicht so einfach wegwischen können. Er ist 81 Jahre alt. Schon heute ist er der bisher älteste Präsident. Am Ende einer zweiten Amtszeit wäre Biden 86 Jahre alt. Aus seinem Umfeld heisst es, er sei dem Amt geistig und körperlich gewachsen. Und eine kraftvolle Rede zur Lage der Nation am 7. März schien das eindrücklich zu belegen. Der Auftritt im US-Kapitol, live übertragen, hat das Altersthema für Biden vorerst entschärft. Doch es ist nicht wegzudiskutieren, dass er sichtbar älter geworden ist.

Biden, der als Kind gestottert hat, spricht manchmal sehr leise, fast unverständlich, sein Gang ist langsamer und steifer geworden. Wenn er etwa die Namen von ausländischen Staatschefs verwechselt, wirkt er verwirrt. Im Bericht eines Sonderstaatsanwalts wurde Biden als «sympathischer, wohlmeinender, älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis» bezeichnet. Laut einer Umfrage der «New York Times», die vor Bidens Rede veröffentlicht wurde, sind sogar die meisten Wählerinnen und Wähler, die ihn 2020 unterstützt haben, der Meinung, dass er zu alt ist, um sein Amt effizient auszuüben.

Und in einer Zeit der Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung von sozialen Medien und dem Internet ist er einer ständigen Beobachtung ausgesetzt. «Präsidenten können sich heute nur noch selten zurückziehen, um zu denken, zu schreiben, zu lesen, um zu arbeiten», erklärt Historiker Engel. «Heutige Präsidenten werden ständig gefilmt. Die Öffentlichkeit sieht jede Bewegung, jeden Fehltritt.» Und solche Fehltritte scheinen Bidens Bild in der Öffentlichkeit zu prägen, viel mehr als seine teils grossen Erfolge während seiner ersten Amtszeit.

US-Präsident Biden liegt am Boden, während ihm andere Leute versuchen aufzuhelfen.
Legende: Präsident Joe Biden stürzt im Juni 2023 während der Abschlussfeier der United States Air Force Academy. AP Photo / Andrew Harnik

Er wirkt alt. Älter auch als sein Gegner Donald Trump, der nur dreieinhalb Jahre jünger ist. Und die Wahrnehmung eines Präsidenten sei zentral, sagt Engel: «Ein Präsident muss versuchen zu überzeugen, er muss Führungsqualitäten demonstrieren können.» Mit 81 Jahren kann Joe Biden dem Idealbild des vermeintlich «mächtigsten Mannes der Welt» wohl nicht mehr entsprechen. Und es dürfte ihm im Wahlkampf viel schwerer fallen, es zu verbergen, als vielen seiner Vorgänger.

10vor10, 08.04.24, 21:50 Uhr

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