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Schweizer Geheimdienst tut sich schwer mit der Cyber-Affäre
Aus Echo der Zeit vom 03.04.2024. Bild: Keystone/ /Oliver Berg
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Illegale Datenbeschaffung Cyber-Skandal: So schwer tut sich der NDB

Der Nachrichtendienst NDB beschaffte jahrelang illegal Daten zum Überwachen. Recherchen von SRF Investigativ zeigen: Die Aufarbeitung der sogenannten Cyber-Affäre stiess von Beginn an auf grosse Widerstände. Es geht um eine «Hexenjagd», anonyme Schreiben und eine Kündigung.

Im Fokus steht das Cyber-Team des Schweizer Geheimdienstes. Die Cyber-Spezialisten beschafften zwischen 2015 und 2020 Daten und speicherten diese teils grosszügig. Ohne Bewilligung, nach eigenem Gutdünken.

Im Frühling 2021 sah sich der NDB gezwungen, die sogenannte Cyber-Affäre intern zu untersuchen. Der Bericht dazu ist bis heute geheim.

Die Überwachungskompetenzen des NDB

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Verdeckt zu ermitteln, ist die Kernkompetenz des Nachrichtendienstes des Bundes NDB, also des Schweizer Geheimdienstes. Doch gelten auch hier klare rechtsstaatliche Grenzen. 2016 nahm das Schweizer Stimmvolk das neue Nachrichtendienstgesetz an und baute damit die Überwachungskapazitäten des NDB nochmals deutlich aus. In gewissen Fällen wie beim Überwachen des Post- und Fernmeldeverkehrs oder dem Sammeln von Daten im Internet muss der Geheimdienst die Überwachung vom Bundesverwaltungsgericht bewilligen lassen.

Untersuchung gegen grosse Widerstände

SRF Investigativ hat nun per Öffentlichkeitsgesetz eine teilgeschwärzte Zusammenfassung erlangt. Diese zeigt: Das interne Untersuchungsteam stiess von Beginn an auf Schwierigkeiten.

So habe das Team nicht alle Berechtigungen gehabt, «um notwendige Informationen auf dem Geschäfts­verwaltungs­programm einzusehen.» In einem Fall habe «die Dokumentation der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten mehrheitlich gefehlt.»

Ex-Geheimdienst-Chef in schlechtem Licht

Laut dem Bericht versuchte Jean-Philippe Gaudin, der damalige Direktor des NDB, die Untersuchung klein zu halten. Man habe bei ihm schon in den ersten Tagen beantragt, die Aufarbeitung an eine externe Stelle zu vergeben, heisst es. Weil «das Untersuchungsteam bereits früh die Komplexität und den Umfang der Abklärungen erkannte». Doch: «Die Anträge wurden jeweils abgelehnt.»

Es sei beantragt worden, das Untersuchungsteam zu vergrössern. «Kurz darauf wurde das Untersuchungsteam verkleinert.» Auch verengte Gaudin den Kreis der Mitwisser: So sollte zunächst die Geschäftsleitung informiert werden. Kurz nach Beginn «entschied der Direktor NDB, dass ausschliesslich er über die Ergebnisse der Untersuchung informiert wird.»

Der frühere Direktor des Nachrichtendienstes NDB, Jean-Philippe Gaudin, im April 2018 an einer Medienkonferenz in Bern.
Legende: Wie stark stellte er sich quer? Der frühere Direktor des Nachrichtendienstes NDB, Jean-Philippe Gaudin, im April 2018 an einer Medienkonferenz in Bern. Keystone/ Peter Schneider

Dazu führte die Art und Weise, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt wurden, zu Aufruhr. So habe es teilweise «Reaktionen und Äusserungen bezüglich einer ‹Hexenjagd›» gegeben, heisst es im Bericht.

Das sagt der Nachrichtendienst

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Der NDB schreibt auf Anfrage: Die Mitarbeitenden des Bereichs Cyber seien sich nicht bewusst gewesen, nicht korrekt gearbeitet zu haben. «Deshalb ist es möglich, dass sie die Abklärungen für unangebracht hielten.» Zu den Zugriffsberechtigungen auf die internen EDV-Systeme sagt der Nachrichtendienst, diese seien auf das Notwendige beschränkt: «Das führt dazu, dass das interne Abklärungsteam nicht selbstständig auf alle Systeme zugreifen konnte.»

Zeitgleich wurde die Cyber-Affäre offenbar als so gravierend beurteilt, dass Köpfe rollten.

Abgang des Cyber-Chefs

Der Fall Cyber führte nämlich zum Abgang des Teamleiters. Das bestätigen zwei unabhängige Quellen gegenüber SRF Investigativ. Im internen Bericht ist von einer «Trennung» die Rede. Der Geheimdienst trennte sich also von jener Person, welche die illegale Datenbeschaffung verantwortet hatte – ohne dies der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Das sagen der frühere Cyber-Chef und der Ex-NDB-Direktor

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Auf Anfrage von SRF Investigativ will der frühere Chef des Cyber-Teams keine Stellung nehmen – weder zur rechtswidrigen Datenbeschaffung noch zu seinem Abgang. Der Untersuchungsbericht enthalte, soweit es ihn betreffe, «keinerlei negative Bewertung oder Massnahme», schreibt sein Anwalt. Der Ex-Direktor des NDB, Jean Philippe Gaudin, verweist auf seine Schweigepflicht. Gaudin betont gegenüber SRF, er sei seit drei Jahren nicht mehr für den Bund tätig. Das Cyber-Team sei wichtig gewesen für die Terrorismus- und Spionageabwehr und er sei nach wie vor von der Aufgabe des NDB und der Qualität der Angestellten überzeugt.

Die Cyber-Affäre beschäftigte auch die Geschäftsprüfungs­delegation des Parlaments. Die GPDel prüfte eine formelle Inspektion und lud im Herbst 2021 Verteidigungsministerin Viola Amherd zu einer Aussprache.

Wichtige Fragen sind ungeklärt

Kurz danach gab das Verteidigungsdepartement eine externe Administrativuntersuchung in Auftrag.

Die unvollständige Kommunikation des VBS

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Mit der externen Untersuchung beauftragt wurde der frühere Bundesrichter Niklaus Oberholzer. Während die interne Untersuchung bis heute geheim gehalten wird, entschied das Verteidigungsdepartement, die Erkenntnisse aus der Administrativuntersuchung öffentlich zu machen. Im Dezember 2022 wurden die Erkenntnisse von Ex-Bundesrichter Oberholzer verkündet: Den Nachrichtendienstlern sei schlicht nicht bewusst gewesen, dass sie eine Bewilligung zur Datenbeschaffung gebraucht hätten. Es habe auch Führungsprobleme gegeben und die Kontrollen hätten versagt. Oberholzer kam zudem zum Schluss, dass das VBS «mit guten Gründen auf die formelle Einreichung einer Strafanzeige» verzichten könne. Recherchen von SRF zeigten wenig später: Diese Kommunikation war nicht vollständig. Denn offensichtlich hatte der NDB Daten nicht nur illegal beschafft, sondern auch an private Sicherheitsfirmen weitergegeben. Die Administrativuntersuchung prüfte zudem die «Datenweitergabe an ausländische Behörden».

Doch die Aufarbeitungsversuche überzeugten nicht. Das schrieb ausgerechnet die Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst AB-ND. Die bisherigen Untersuchungen «liessen die AB-ND zum Schluss kommen, dass nach wie vor nicht alle relevanten Fragen beantwortet wurden», heisst es im letztjährigen Tätigkeitsbericht. Sie nahm in der Folge eine eigene Untersuchung in Angriff.

Aufsichtsbehörde stellt happige Fragen

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Laut der AB-ND sind «insbesondere einzelne Aspekte, wie verdeckte Geldflüsse, den Einsatz von durch NDB entwickelter und zur Verfügung gestellter Hardware bei der Datenbeschaffung sowie eine mögliche Datenweitergabe an eine externe Stelle» noch nicht geklärt. Es sind happige Fragen, welche die Aufsichtsbehörde aufwirft: Hat der NDB in Zusammenhang mit den illegal beschafften Daten auch verdeckte Zahlungen getätigt – oder entgegengenommen? An welche privaten Sicherheitsfirmen und warum wurden die Daten weitergegeben? Wurden alle relevanten Sachverhalte erfasst?

Auf Anfrage schreibt der NDB, es stehe ihm nicht zu, «Äusserungen seiner Aufsichtsbehörde zu kommentieren.» Die Ergebnisse beider Untersuchungen seien von den Auftraggebern akzeptiert worden und hätten Massnahmen im Bereich Cyber ausgelöst. «Nach Kenntnis des NDB sind die beiden fraglichen Untersuchungen korrekt verlaufen.»

«Zwei anonyme Schreiben»

Die Unzufriedenheit mit der Aufarbeitung der Cyber-Affäre scheint indes gross. Die Aufsichtsbehörde schreibt von «zwei anonymen Schreiben». Auch seien ihr «weitere interne Informationen aus dem NDB zugetragen» worden.

Eben erst teilte die AB-ND mit, der Bericht zur Cyber-Affäre verzögere sich erneut, werde aber 2024 abgeschlossen. Es ist eine weitere Chance, in der Cyber-Affäre endlich Klarheit zu schaffen.

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Echo der Zeit, 03.04.2024, 18 Uhr

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