In der niederländischen Heimatstadt von Hieronymus Bosch befindet sich normalerweise kein einziges seiner Werke. Obwohl der Maler im Mittelalter ausschliesslich dort, in s’Hertogenbosch, lebte und arbeitete. Derzeit sind mehr als die Hälfte der von ihm bemalten Holztafeln für ein paar Wochen zurückgekehrt – anlässlich des Hieronymus-Bosch-Jahres zum 500. Todestag.
Dass sich die Bilder vorrübergehend wieder in s’Hertogenbosch befinden, ist Charles de Mooi zu verdanken. Der engagierte Direktor des dortigen Noordbrabants Museum und das neunköpfige Wissenschaftsteam des Bosch Research and Conservation Projects arbeiteten mit Hochdruck an diesem Ziel.
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Neun Jahre Überzeugungsarbeit
De Mooi reiste neun Jahre lang um die Welt, um seine europäischen und amerikanischen Museumskollegen zu einer Leihgabe zu bewegen. Als Gegenleistung versprach er eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung und, wenn nötig, die Restaurierung der kostbaren Tafeln. Die Rechnung ging auf. Mit wenigen Ausnahmen willigten die Kunsthäuser auf beiden Seiten des Atlantiks ein und öffneten Tür und Tor für das Forscherteam.
In einem ersten Vorgang zählten die Kunstexperten die Jahrringe, um das Alter des Eichenholzes bestimmen zu können. Diese in der Kunstwissenschaft schon länger übliche Dendrochronologie-Methode sei nicht zu hundert Prozent verlässlich, aber es sei eine gute Möglichkeit um andere Untersuchungsmethoden zu stützen, erklärt Volker Manuth, Professor für Kunstgeschichten der Radbout-Universität in Nijmegen. Er hat als Mitglied des Beraterkomitees die Arbeit des Bosch-Research-Teams eng begleitet.
Der Meister korrigiert, der Kopist nicht
Danach wurden die Holztafeln geröntgt, sowie stilistisch und maltechnisch untersucht. In einem neuartigen Verfahren schossen die Forscher tausende Fotos, darunter viele digitale Makro-Bilder mit Infrarotlicht. Mit der Methode der Infrarotreflektographie konnten die Experten die Unterschichten sichtbar machen.
Dabei stellten sie fest, dass Bosch jeweils Skizzen auf das Holz machte, bevor er Farbe einsetzte. Dank dieser erstaunlichen Erkenntnis können nun viel verlässlichere Aussagen zu Kopie oder Original gemacht werden. Die Meisterhand, sagt Manuth, verändere während des Malprozesses die eine oder andere Figur, während dieses «Kreative auf dem Weg zur Endfassung» beim Kopisten gänzlich fehle.
Wenn das Original zur Kopie wird
Als Beispiel erwähnt der Professor für Kunstgeschichte die beiden Heuwagen-Triptychen. Bisher ging die Fachwelt davon aus, dass die Version im Prado eine Kopie jenes «Heuwagens» ist, der sich im Madrider Kloster El Escorial befindet. Das Bosch-Team kam nun zum Ergebnis, dass die Zuschreibungen umgedreht werden müssen.
Weniger erfreut war die Direktion im Prado hingegen, weil zwei ihrer Originale nun neu als Kopien eingestuft wurden. Die Museumsleitung war so erzürnt, dass sie die beiden Werke, «Die Versuchung des Heiligen Antonius» sowie «Das Steinschneiden» nicht nach s’Hertogenbosch an die grosse Bosch-Ausstellung schickte, obwohl dies schriftlich vereinbart worden war.
Zweifel an der Methode
Auch andere Fachleute sind nicht mit allem einverstanden. So bemängelt der deutsche Kunsthistoriker und Boschkenner Stefan Fischer, dass der entscheidende Teil des Untersuchungsrapports des Bosch-Forschungsteams noch nicht publiziert wurde.
Deshalb sei bis jetzt nicht klar, wie die Forscher die Begriffe definieren, mit denen sie argumentieren, wenn es zum Beispiel um «Originale» geht: Wieviel Werkstattbeteiligung darf es bei einem Original geben – d.h. wieviele Künstler dürfen neben dem Meister daran mitgearbeitet haben? Das ist entscheidend, denn: Wenn auch ein Werk, das mit Werkstattbeteiligung entstand, als Original gelten würde, wären fehlende Veränderungen durch die Meisterhand kein Hinweis mehr auf eine Kopie.