In dem braunen Ziegelbau im Stadtteil Newtown, mitten in Johannesburg, waren einst Umwelt- und Wetterbehörden untergebracht, später zahlten Hundehalter hier ihre Steuern. Seit 2005 beherbergt der Kasten mit den vergitterten Fenstern den Market Photo Workshop.
«Die Fotografie hat sich in Südafrika eine unglaubliche Legitimität geschaffen», sagt John Fleetwood. Der bärtige Mittvierziger leitet seit 2002 den Workshop mit seinen rund 20 Mitarbeitenden.
«Die sogenannte ‹Kampf-Fotografie› war auf das engste mit der Befreiung verbunden. Und diese Legitimität besitzt sie immer noch.» Fotografinnen wie die Gender-Aktivistin Zanele Muholi und Jodi Bieber, die 2010 das «World Press Photo of the Year» schoss, haben im Workshop gelernt.
Die Fotografen waren meistens Weisse
Am Anfang standen kleine Wechselausstellungen im Foyer des Market Theatre. Die Fotografen waren meist Weisse. David Goldblatt, Jahrgang 1930, war schon zu Zeiten der Rassentrennung ein bekannter Fotokünstler. Er wollte, dass vor allem junge Talente aus den Townships selber fotografieren und womöglich einmal von der Fotografie leben können.
Als Mentor begleitet Goldblatt den Photo Workshop bis heute. Die Schule ist Teil der Market-Theatre-Stiftung. Geld kommt unter anderem von der Regierung, aber auch von privaten Spendern wie der US-amerikanischen Open Society Foundation von George Soros, von ProHelvetia und der Bildagentur Getty Images.
«Was willst du zeigen?»
Die Studierenden können sich für Grund- oder Fortgeschrittenenkurse einschreiben. «Was man mitbringen muss, ist Enthusiasmus und der Hunger auf Fotografie», sagt Programm-Manager Lekgetho Makola. «Bring dich selbst ein, deinen Verstand und dein Engagement!»
Die Klassen haben nicht mehr als ein Dutzend Teilnehmer. Kameras sowie Computer für die Nachbearbeitung stellt die Schule. Später ist eine Spezialisierung erwünscht: Dokumentation und Pressefotografie, Werbefotografie oder künstlerische und konzeptionelle Fotografie. Mit Hilfe von Stipendien können auch Mittellose studieren.
Bei unserem Besuch bespricht Michelle Loukidis, eine der langjährigen Trainerinnen, am Bildschirm Fotos, die Fassaden zeigen. Studierende haben sie aus einem Township mitgebracht. Loukidis ist nicht zufrieden. «Du musst dir einen Punkt zum Fokussieren suchen», erklärt sie einem Nachwuchsfotografen. «Du bist zwar nahe dran – aber was willst du eigentlich zeigen? Das ist kein Bild!»
Digitale Möglichkeiten und fotografisches Können
Als der Workshop vor 26 Jahren seine Arbeit aufnahm, waren Fotos noch analog und meist schwarzweiss. Filme waren teuer, die Abzüge mussten umständlich in einer Dunkelkammer entwickelt, fixiert und gewässert werden. Wer im Township lebte, konnte davon nur träumen: Fliessendes Wasser, damals unerlässlich zum Bildermachen, gab es nicht.
Mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie hat sich vieles verändert. Fotografieren wurde einfacher und billiger. Fast alle Jugendlichen, auch in Johannesburg, besitzen ein Smartphone und knipsen damit. Wer Zugang zu einem Computer hat, kann die Schnappschüsse nachbearbeiten, ohne einen Kurs zu besuchen.
John Fleetwood hält dagegen: «Typisch für die junge Generation! Sie glauben, wenn man die Technik zur Verfügung hat, kann man auch damit umgehen!» Bevor jemand auf den Auslöser drückt, sollten vor allem Hintergründe gründlich recherchiert werden.
«Zeig uns unser Land!»
Die Allgegenwart des Mobiltelefons greift der Workshop kritisch auf. Unter dem Motto «Zeig uns unser Land!» forderte er die Öffentlichkeit auf, mit dem Mobiltelefon gemachte Aufnahmen einzuschicken. Daraus ging die Ausstellung «Social Landscape» hervor und wurde ein grosser Erfolg.
Seit 2005 bespielt der Workshop eigene Ausstellungsräume, in denen beispielhafte Arbeiten von Absolventen oder Ehemaligen zu sehen sind. Zurzeit läuft dort «Weitab vom Alltäglichen» – eine Querschnittsausstellung mit Arbeiten aus dem eigenen Archiv.