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Netzwelt E-Book-Flatrates: gut fürs Portemonnaie – und fürs Lesevergnügen?

Lesen, so viel man will – und für wenig Geld. Damit locken Flatrate-Anbieter Lesehungrige. Der neuste und umstrittenste Anbieter auf dem Markt: Amazon. Doch der Gigant ist kein Vorreiter. Bei «Skoobe» oder «Scribd» gibt's schon länger «Lesen à discrétion». Doch was bieten sie eigentlich? Ein Test.

Bestsellerleser werden hier enttäuscht. Liebhabern von literarischen Altmeistern wird ein sänftes Lächeln über das Gesicht huschen. Und Leseratten, die sich gerne Schweizer Literatur zu Gemüte führen, statten nach diesem Artikel wahrscheinlich der lokalen Lieblingsbücherei einen Besuch ab. Denn dieser Test zeigt, dass Leseflatrate-Angebote nicht für jeden Geschmack etwas zu bieten haben.

Die Testfragen:

  1. Führen die Plattformen Bestseller? Konkret: Sind die Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste zu finden? (Platz 1: Jan Weiler «Das Pubertier», 2: Diana Gabaldon: «Ein Schatten von Verrat und Liebe», 3. Kerstin Gier: «Silber. Das zweite Buch der Träume», 4. Donna Tartt: «Der Distelfink», 5. John Williams «Stoner»)
  2. Ist die Plattform klassikertauglich? Goethe, Annette von Droste-Hülshoff, Kafka, Ingeborg Bachmann und Rilke – sind ihre Werke mit dabei?
  3. Ist auch ein bisschen «Swissness» vorhanden? Der Test mit Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Lukas Bärfuss, Jens Steiner und Zoë Jenny.
  4. Gibt es Fachliteratur?
  5. Was taugen die Übersetzungen? Als Stichprobe: Gibt es die «Anna Karenina»-Übersetzung der renommierten Übersetzerin Svetlana Geier?
  6. Gibt es redaktionelle Tipps, und wenn ja: welcher Art?

«Skoobe»

«Skoobe» ist der Vorreiter auf dem deutschen Markt. Das Modell wurde 2012 von den Verlagen Holzbrinck und Bertelsmann lanciert, steht aber anderen Verlagen offen. Für 9,99 Euro pro Monat kann man unbegrenzt lesen. Über 50‘000 Bücher sind im Angebot.

  • Bestseller: enttäuschend

    Lediglich einen von fünf Titel findet man: «Distelfink» von Donna Tart. Bei Galbadon und Gier sind zwar andere Werke vorhanden, nicht aber die neusten. Erstaunlich auch: «Stoner» von Williams gibt es nur auf Spanisch.

  • Klassiker: gut

    Fast alle gesammelten Werke der Literaturgrössen sind da. Aber enttäuschend: Werke von Ingeborg Bachmann fehlen. Nur eine Autobiografie findet sich.

  • Swissness: erstaunlich

    Nur die Werke des Newcomers Steiner und von Zoe Jenny sind vollständig vorhanden. Von den Altmeistern Dürrenmatt und Frisch: nichts. Nur eine kleine Lernhilfe für Studenten zu Dürrenmatt gibt’s.

  • Fachliteratur: gut ausgerüstet

    Geschichte, Film, Religion und vieles mehr – Fachinteressierte kommen auf ihre Kosten.

  • Übersetzung: nicht vorhanden

    Es gibt hier weder schlechte noch gute deutsche Übersetzungen von «Anna Karenina», wie beispielsweise die vom Svetlana Gaier.

  • Redaktionelle Tipps: sucht man vergebens

    Nur die Rubriken «Diese Woche neu» und «meistgelesen» gibt es.

«Scribd»

Die «digitale Weltbibliothek» bietet über 500'000 Bücher von über 900 Verlegern. Ausserdem enthält sie Millionen von Büchern und Texten, die von Usern selbst hochgeladen werden – täglich werden etwa 50'000 Texte hochgeladen. Es ist das «Youtube der Bücher». Preis: 7,99 Euro pro Monat.

  • Bestseller: schlecht

    Keiner der Titel ist vorhanden. Interessant: Bei jedem Autor erscheint die Meldung «Bücher dieses Autors nicht verfügbar». In einem nächsten Schritt kann man mit einem Klick direkt den Verlag darum bitten, das Buch zu Verfügung zu stellen. Jedoch: Die New York Times Bestsellerlisten sind vorhanden. Bedeutet wohl: Scribd hat sich noch nicht ganz dem deutschen Markt angepasst.

  • Klassiker: gut

    Die Klassiker der männlichen Grössen und von Ingeborg Bachmann sind vorhanden. Grosser Wermutstropfen: Werke von Annette von Droste-Hülshoff gibt es nicht.

  • Swissness: Faktor fast gleich Null

    Einzig: Zoë Jennys englisches Buch «The Sky is Changing» kann man lesen.

  • Fachliteratur: sehr gut

    Sachbuchliebhaber kommen auf ihre Kosten: Sachbücher jeglicher Couleur sind vorhanden.

  • Übersetzung: mässig

    Svetlana Geiers Übersetzung von «Anna Karenina» ist nicht zu finden. Aber es gibt englische Übersetzungen des Buches.

  • Links zum Thema

    Redaktionelle Tipps: schön kuratiert

    In der Rubrik «Scribd Selects» empfehlen die Redakteure Bücher – von Joseph Hellers «Catch-22» bis zu Alexandra Horowitz' «On Looking: Eleven Walks with Expert Eyes». Schön: Anscheinend sind hier auch Buchliebhaber am Werk. Beim ersten Einloggen wird man zum Leseverhalten und Lesevorlieben befragt. Dementsprechend werden die angezeigten Bücher dem Profil angepasst. «Scrib» bietet sozusagen «personalisiertes Lesen».

«Readfy»

Das Modell ist noch in der Beta-Phase, kann aber schon ausprobiert werden. Es finanziert sich durch Werbung – öfters poppt mal eine Google Play Werbung auf. Das Projekt wurde zuerst über Crowdfunding finanziert – 100'000 Euro hat das Unternehmen so zusammengebracht. Momentan ist das Angebot noch kostenlos, über 17'000 Titel von mehr als 160 Verlagen sind im Angebot. «Readfy» ist nur mit einem Android-Gerät zugänglich.

  • Bestseller: schlecht

    Von den fünf Topsellern ist keiner zu finden. Auch nicht andere Werke der Autoren.

  • Klassiker: mittel

    Droste-Hülshoff und Bachmann, die beiden Frauen unter unserer Klassikern, findet man nicht. Von Goethe, Kafka und Rilke sind jedoch die gesammelten Werke vorhanden.

  • Swissness: erstaunlich

    Frisch, Dürrenmatt, Jenny und Steiner: Keines ihrer literarischen Werke kann man sich zu Gemüte führen. Aber: Von Newcomer Lukas Bärfuss kann man sowohl «Hundert Tage» als auch «Koala» lesen.

  • Fachliteratur: für jeden etwas

    Von Büchern zu «Radioaktivität» und «Ist Egoismus unmoralisch?»: Liebhaber jedes Fachs finden hier etwas zu lesen.

  • Übersetzung: okay

    Svetlana Geiers Übersetzung von «Anna Karenina» sucht man vergebens. Aber es gibt eine ältere Übersetzung von Hermann Röhl.

  • Redaktionelle Tipps: Fehlanzeige

    Aber User können ihre Leselisten öffentlich machen. Die Rubrik «Zuletzt rezensiert» verspricht ausserdem Tipps von Redaktoren. Diese Rubrik speist sich jedoch aus Kommentaren, das heisst «Rezensionen», von Usern.

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