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Der syrische Päsident Baschar al-Assad und der Nahost-Experte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Rainer Hermann.
Legende: Im Gespräch: Der syrische Päsident Baschar al-Assad und der Nahost-Experte der F.A.Z Rainer Hermann. Reuters

International «Assad wirkte sehr locker und gelassen»

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hat ein Interview mit Syriens Machthaber veröffentlicht. Rainer Hermann hat das Gespräch mit Baschar al-Assad geführt. Der Redaktor bezeichnet Assad als einen «kühlen Kopf».

«Echo der Zeit»: Sie haben Präsident Assad persönlich gesehen und gesprochen. Was ist Ihr Eindruck von diesem Mann?

Rainer Hermann: Präsident Assad wirkte während des Gespräches sehr locker, sehr gelassen. Er machte überhaupt nicht den Eindruck, dass er abtreten würde. Das Ganze ging ohne gespreizte Formalitäten vor sich.

Rainer Hermann

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Jahrgang 1956. Der F.A.Z-Redaktor studierte Volkswirtschaft und Islamwissenschaften. Hermann war Korrespondent in der Türkei und für den Nahen Osten in Abu Dhabi. Er lebt in Frankfurt, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Assad argumentiert in diesem Interview ja auffällig rational. Ist er so, oder richtet er sich an ein europäisches Publikum?

Er weiss, was in seinem Land vorgeht. Vorwürfe, die man immer wieder hört, nach denen er nicht wisse, was die Wirklichkeit in seinem Land sei, treffen nicht zu. Er ist sehr wohl im Bilde. Er geht sehr rational vor. Es war kein emotional geführtes Gespräch, sondern eine rationale Aufarbeitung dessen, was in Syrien abläuft. Es war keine Drohung an Europa. Er hat lediglich gesagt: Europäer, wenn Ihr weiterhin tut, was Ihr tun wollt, dann müsst Ihr damit rechnen, dass Ihr einen islamistisch-terroristischen Hinterhof haben werdet.

Er ist also ein ganz rationaler, kühler Herrscher.

Er lässt sich nicht zu leidenschaftlichen Äusserungen hinreissen. Er ist sicherlich ein kühler Kopf.

Zum Einsatz von Chemiewaffen sagt Assad: ‹Der Westen hätte schon längst Beweise vorgelegt, wenn er sie hätte.› Rein logisch ist der Konjunktiv allerdings eine schwache Argumentation ...

In der Tat. Assad sagt nicht ausdrücklich: ‹Ich habe sie nicht eingesetzt.› Ich habe immer wieder nachgehakt, aber er war zu keiner konkreteren Aussage bereit. Assad sagt, es sei nicht logisch, dass er Chemiewaffen einsetzen würde.

Hat Sie das Argument überzeugt?

Das Interview mit Präsident Assad in der F.A.Z.

Das Argument von ihm hat mich nicht überzeugt. Auf der anderen Seite: Chemiewaffen sind Massenvernichtungswaffen. Wenn Assads Armee militärisch die Oberhand hat, weshalb sollte er dann C-Waffen einsetzen? Es besteht keine militärische Notwendigkeit. Der neuste amerikanische Vorwurf an die Adresse Assads kam nachdem dessen Armee die strategisch wichtige Stadt Kusair zurückerobert hatte. Mir schien eher, dass die Präsenz der Hisbollah auf syrischem Boden in Amerika den Anstoss gegeben hat, die vorliegenden Daten neu zu bewerten.

Assad sagt in dem Interview: ‹Syrien unter seiner Führung und mit dieser Verfassung sei für die Stabilität der Region und für die Sicherheit Europas unabdingbar.› Wie sehen Sie das?

Im Augenblick steht Syrien nicht für Stabilität. Es ist ein Strudel, der nach unten zieht. Aber die Fragen sind: Wollen wir Assad stützen und darauf hinarbeiten, dass sich das neue Syrien verändert? Oder gehen wir das Risiko ein, setzen auf die Rebellen und versuchen diese zu steuern? Das ist uns mehrfach nicht gelungen. Es ist in Irak und in Afghanistan nicht gelungen. Ich bin vorsichtig mit einer euphorischen Einschätzung.

Auf der einen Seite muss man orientalische Gepflogenheiten zur Kenntnis nehmen. Auf der anderen Seite die westliche Leserschaft im Auge haben. Dieser Spagat ist nicht einfach.
Autor: Rainer Hermann

Sie haben alle wichtigen Themen angesprochen, aber fast nie nachgefragt. War das Teil des Deals?

Es war nicht Teil des Deals. Mir wurde nur zuvor gesagt, dass ich keine Fragen über Assads Familie stellen dürfe. Es ist natürlich schwierig, mit so einem Mann ein Interview zu führen. Schwieriger als mit einem westlichen, demokratisch gewählten Staatspräsidenten. Auf der einen Seite muss man orientalische Gepflogenheiten zur Kenntnis nehmen. Auf der anderen Seite die westliche Leserschaft im Auge haben. Dieser Spagat ist nicht einfach.

Wie haben Sie dieses Interview gekriegt?

Ich habe mich seit über einem Jahr an die syrische Botschaft und Syrer, die in Deutschland leben und mit Assad in Kontakt stehen, gewandt. Ich habe immer wieder nachgehakt. Man sagte mir, ich stünde auf der Liste. Und irgendwann kam dann der Anruf aus Damaskus.

Sehr spannend ist ja, dass Assad sagt: Europa, das die Aufklärung erfunden hat, reagiere emotional und nicht rational. Er spricht vom Phantomschmerz der alten Kolonialmächte Grossbritannien und Frankreich. Das ist doch paradox.

Assad ist auf eine französische Schule in Damaskus gegangen und hat in England studiert. Er kennt Europa durchaus. Er ist ein autokratischer Herrscher. Ihm nimmt man nicht ab, dass er auf einen demokratischen Pfad einschwenken will. Etwas enttäuscht war ich von seiner Antwort auf die Frage: Wollen Sie den militärischen Fortschritt der letzten Wochen nutzen und der Opposition die Hand reichen? Er hat ziemlich kalt gesagt: Ich habe meine Bedingungen und die Opposition ist herzlich eingeladen, auf diese Bedingungen einzugehen. Da war keine neue Öffnung zu erkennen.

Das Gespräch führte Peter Vögeli.

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