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Eine EU-Flagge wird am gestrigen Montag vor dem griechischen Parlament geschwenkt.
Legende: Hoffen und Bangen: Wie hoch ist der Preis für einen Verbleib Griechenlands in der EU? Keystone

International Die Griechen zwischen Wut und Erleichterung

Die griechische Regierung hat sich im Schuldenstreit offenbar substanziell bewegt. Das schürt in der Heimat Hoffnungen auf einen Verbleib in der Euro-Zone – aber auch Ängste vor weiteren Belastungen. Die Journalistin Corinna Jessen über ein Land im Ausnahmezustand.

SRF News: Wie fallen die Reaktionen auf den Sondergipfel in Griechenland aus?

Corinna Jessen

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Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen, Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Mitarbeiterin des ZDF. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

Corinna Jessen: Die Reaktionen sind eher gespalten. Einige Zeitungen titeln hoffnungsfroh, es gebe Licht am Ende des Tunnels oder der Weg für eine Einigung sei frei gemacht worden. Andere Blätter sprechen von einem schmerzhaften Kompromiss, ja sogar einem Schock. Man moniert auch, dass die Kreditgeber immer noch nicht zufrieden damit seien, was die griechische Regierung jetzt vorgelegt hat.

Unmittelbar auf die Massnahmen-Liste reagiert haben zwei Abgeordnete der Regierungspartei Syriza. Sie wollen nicht für das Paket stimmen und gehen davon aus, dass die Fraktion ihrem Ministerpräsidenten nicht geschlossen folgen wird. Die Vorlage dürfte zwar auf jeden Fall mit den Stimmen der europa-freundlichen Opposition verabschiedet werden. Das würde jedoch die Position von Alexis Tsipras derart stark untergraben, dass es politische Veränderungen bis hin zu Neuwahlen nach sich ziehen könnte.

Griechenland hat sich offenbar substanziell bewegt. Das Land scheint Rentenkürzungen und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nun doch für möglich zu erachten. Warum der Sinneswandel?

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«Die Menschen sind tief gespalten»
aus SRF 4 News aktuell vom 23.06.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 4 Sekunden.

Hinsichtlich der Rentenkürzungen sprach Tsipras schon in den letzten Tagen davon, dass man eine substanzielle Reform werde durchbringen müssen. Vor allem die Frühverrentungen müssten sofort abgeschafft werden.

Tsipras' rote Linie blieb aber nach wie vor, dass Zulagen für die allerniedrigsten Renten nicht gestrichen werden. Das ist offensichtlich auch beibehalten worden. Auch die Grundrenten sollen nicht gekürzt werden. Eine solche absolut notwendige Rentenreform wird der Regierungschef verkaufen können. Die Mehrwertsteuerfrage ist schwieriger. Vor allem in der Tourismusbranche, bei den Gastwirten und den Hoteliers, sind heftige Reaktionen zu erwarten. Hier wird noch einiges auf uns zukommen.

Tsipras' rote Linie blieb aber nach wie vor, dass Zulagen für die allerniedrigsten Renten nicht gestrichen werden.
Autor: Corinna Jessen Freie Journalistin in Athen

In Griechenland wird lautstark für den Verbleib im Euro-Raum demonstriert. Vor ein paar Tagen haben wir festgestellt, dass die Griechen ein Stück weit das Vertrauen in die Syriza-Hardliner verloren haben – hat sich dieser Eindruck verstärkt?

Es geht immer stärker auf eine Polarisierung in der Gesellschaft zu. In Gesprächen mit Demonstrationsteilnehmern habe ich sogar festgestellt, dass Menschen auch selbst gespalten sind – zwischen Wut und Erleichterung. Auf der einen Seite ist man erleichtert darüber, dass die grösste Gefahr – ein Austritt aus der Euro-Zone oder gar aus der EU – abgewendet werden könnte. Auf der anderen Seite wissen die Menschen sehr genau, wie schmerzhaft diese Einigung ist.

Die geplanten acht Milliarden Euro Einsparungen bis Ende 2016 werden die ganze Gesellschaft erneut belasten. Die Menschen sind wütend darüber, dass die Kreditgeber damit offensichtlich immer noch nicht zufrieden sind.

Die geplanten acht Milliarden Euro Einsparungen bis Ende 2016 werden die ganze Gesellschaft erneut belasten.
Autor: Corinna Jessen Freie Journalistin in Athen

Letzte Woche haben die Griechinnen und Griechen Abermillionen Euro von den Banken abgehoben. Haben die Leute nach dem Krisengipfel nun wieder mehr Vertrauen gefasst?

Schon am gestrigen Montag hat sich die Lage wieder etwas beruhigt. Nachdem am vergangenen «Schwarzen Freitag» fast 1,3 Milliarden Euro abgehoben wurden, waren es gestern weniger als die Hälfte. Nachdem die Europäische Zentralbank die Nothilfe erneut erhöht hat, wird auch heute normaler Bankverkehr stattfinden. Allen gegenteiligen Gerüchten zum Trotz. Allein das dürfte die Menschen weiter beruhigen – zumal Ende der Woche eine Einigung in Aussicht steht.

Das Gespräch führte Philippe Chappuis.

Medienspiegel: «Crash-Test für Regierung Tsipras»

Medienspiegel: «Crash-Test für Regierung Tsipras»
Griechenlands Medien sehen nach der jüngsten Annäherung im Schuldenstreit Regierungschef Alexis Tsipras in Erklärungsnot. Die konservative Zeitung «Kathimerini» schreibt, Tsipras müsse jetzt seinem Parlament und seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen «Crash-Test für die Regierung» erwartet das Blatt. Die Zeitung «Ta Nea» kritisierte, dass noch immer kein Wort über die Umstrukturierung des Schuldenberges gefallen sei. Tsipras stehe vor einer Konfrontation mit seiner Partei Syriza. Der Ministerpräsident muss für seine einschneidenden Sparmassnahmen eine Mehrheit im griechischen Parlament finden. Beim EU-Sondergipfel waren sich Griechenland und seine Geldgeber nähergekommen, eine Einigung steht aber noch aus. Die Beteiligten hoffen, dass es in dieser Woche zu einem Durchbruch kommt.

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