350'000 Tonnen hochradiokativen Abfalls gibt es auf der Erde, glaubt die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Ganz genau weiss das die Behörde auch nicht. Abgesehen von der unklaren Menge, sorgt die offene Lagerungssituation der strahlenden Schrotts für Debatten zwischen Gegnern und Befürwortern der Atomenergie.
Bislang werden die hochradiokativen Abfallprodukte in oberirdischen Zwischenlagern gehortet – eine periodisch befristete Lösung. In «simplen Lagerhallen», wie Stefan Füglister, Atom-Experte von Greenpeace, sagt. «Das ist natürlich keine Option für die Zukunft, denn Gebäude sind vergänglich», fügt er hinzu.
Gesucht wird deshalb die langfristige Lösung: ein Endlager. Eigenschaften: hundertprozentige Sicherheit – für immer oder wenigstens die nächsten zehntausend Jahre. Frühere Ideen wie eine Entsorgung im All oder in der Arktis sind inzwischen verworfen. Den Müll im Meer versenken – seit 1993 verboten. Die Lösung liege nun in der Tiefe der Erde, glauben die Experten. Unterirdische Salz-, Ton- und Granitschichten sollen geeignet sein, grösstmöglichen Schutz zu gewährleisten.
Trotz dieses Wissens, ein Endlager ist noch nicht gebaut. Horst-Michael Prasser vom Institut für Energietechnik der ETH Zürich glaubt den Grund zu kennen: Die Sorge vor der Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche, wenn etwas schief gehe, habe zur Ablehnung vieler Standorte geführt. Eine solche Verstrahlung hält der Wissenschaftler aber für unrealistisch, «wenn es ordentlich gemacht wird». Nachteile beim Wirtsgestein könnten durch beständigere Materialien für die Abfallkanister kompensiert werden.
Ausserdem würde die Strahlung im Laufe der Jahre merklich zurückgehen, so Prasser. Die Öffentlichkeit ginge aber gemeinhin davon aus, dass der radioaktive Müll in hunderttausend Jahren noch mit der gleichen Intensität strahle wie am ersten Tag.
Der Greenpeace-Experte bewertet die Lage gegenteilig. «Möglichkeiten zu finden, die eine nachhaltige und sichere Lagerung der Stoffe garantiert» hält Füglister für ein «Ding der Unmöglichkeit». Er könne zwar die technischen Dinge nachvollziehen, was Gestein und Behälterdichtigkeit angeht, hält aber die Vorhersage gesellschaftlicher Entwicklungen anhand von Planungsskizzen für viel schwieriger. Und welche Lösung schlägt der Greenpeace-Experte vor? Keine. «Ich kenne die Lösung nicht», bekennt Füglister.
Schweizer Endlager ab 2035
Erste Länder haben nun begonnen, Endlager zu bauen. Finnland und Schweden präferieren die Granitlösung. Zwischen 2022 und 2025 dürfte dort die global erste Endlagerung starten.
Die Schweiz setzt auf Tonschichten. Laut der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) eignet sich im Besonderen der Opalinuston für eine Endlagerung radioaktiver Abfälle. In 300 bis 900 Metern Tiefe hat die Nagra sechs Standorte ausgemacht, die für eine Endlagerung in Frage kommen.
«Am Ende werden es ein oder zwei Lager sein», sagt die Sprecherin der Nagra, Jutta Lang, gegenüber «SRF News Online». «Nach optimistischen Schätzungen wird im Jahr 2035 das Lager für schwach- und mittelradiokaktiven Atommüll in Betrieb genommen. Das für hochradioaktiven Atommüll im Jahr 2050», ergänzt sie.