Er ist ein wenig linkisch, hat einen kleinen Sprachfehler und hat ein Imageproblem: Ed Miliband, der Vorsitzende der britischen Labour Party und Oppositionsführer. Der 46-jährige Ökonom, der auch Philosophie und Politikwissenschaften studierte, wirkt steif und intellektuell.
«Er ist ein Kopfmensch aus einer gelehrten Familie, nicht der Sozialist vom bodenständig-volksnahen Typ», erklärt SRF-Korrespondent Urs Gredig. Dennoch grenzt sich Miliband klar von der schwammigen «New Labour»-Politik eines Tony Blair ab. Dank seiner klaren politischen Linie hat er die Gewerkschaften auf seiner Seite.
Familiäre Holocaust-Geschichte prägt
Der Parteichef der Sozialdemokraten wuchs als Sohn von Immigranten auf. Die Mutter hatte als Jüdin im Versteck den Holocaust in Polen überlebt, der Vater – ein polnischer Jude aus Belgien – flüchtete während des Zweiten Weltkrieges nach England. Viele Familienmitglieder wurden ermordet, auch der Grossvater verlor sein Leben im Holocaust.
Die Familiengeschichte hat Miliband geprägt. «Der Holocaust definiert im Sinne des Toleranzgedankens seine Politik sehr», so Gredig. Er politisiert aber nicht aktiv damit, sondern gibt unumwunden zu: «Wie viele andere aus Holocaust-Familien habe ich eine paradoxe Beziehung zu dieser Geschichte. Einerseits fühle ich mich diesem Schicksal eng verbunden – es betraf meine Eltern und Grosseltern. Andererseits fühlt es sich für mich wie eine ganz andere Welt an.»
«Den Wallace & Gromit kriegt er nicht mehr weg»
Im akademischen Haushalt gross geworden, startete der ehrgeizige Flüchtlingssohn eine schnelle Politkarriere. Er sei der Typ aus dem städtischen intellektuellen Londoner Milieu, wovon sich der klassische Arbeiter und Labour-Wähler nicht angesprochen fühle, so Gredig. «Er hat sehr viel theoretisches Wissen, doch der Funke springt nicht so recht rüber. Er ist der Nerd-Typ: Er wirkt wie der Junge, der super in der Schule ist, aber keine Freunde hat.» Ein bisschen verklemmt, stier und humorlos – damit hätten die Briten Mühe.
Emotionen wirken beim linkischen Miliband rasch aufgesetzt, wenn er sie zu zeigen versucht. Auf Fotos schaffe er es oft, eine unvorteilhafte Grimasse zu ziehen – beispielsweise beim Essen, sagt Gredig. «Er wird oft als Wallace aus "Wallace & Gromit" dargestellt, das kriegt er nicht mehr weg.»
Aussen Nerd, innen Klassenkämpfer
Der amtierende Premierminister David Cameron tritt staatsmännischer auf – doch die Briten haben das Sparen unter Cameron leid. Miliband hingegen ist ein klassischer Klassenkämpfer, auch wenn man das seiner Person schlecht ansieht. SRF-Korrespondent Gredig glaubt: «Wenn Miliband nicht wäre, hätte Labour viel bessere Chancen. Wenn Labour gewählt wird, dann nicht wegen, sondern trotz ihm.»
Miliband, der bereits in der Studentenorganisation politisierte und später auch Ökonomie an der renommierten Harvard-Universität unterrichtete, hatte im vergangenen Jahr innerhalb der eigenen Partei starke Kritiker. Jetzt stehe er besser da als damals, meint Gredig. Er sei innerhalb der Labour-Partei kein «Waschlappen», sondern führe sie recht streng und straff. Kritik kommt höchstens von Hinterbänklern. «Bis zur Wahl spricht man ihm das Vertrauen aus – wenn er sie verliert, wird man wohl einen Nachfolger als Parteichef suchen.»
(SRF 4 News, 16.04., 17:00 Uhr)