- Die Wiederwahl des polnischen Ratspräsidenten Donald Tusk führt in Brüssel zum Eklat.
- Polen will aus Protest die Abschlusserklärung des EU-Gipfels nicht mittragen.
- Einzelne Gipfelteilnehmer reagieren ziemlich genervt auf das Verhalten Polens.
Die polnische Premierministerin Beata Szydlo sprach nach dem Gipfel von einem traurigen Tag und einem gefährlichen Präzedenzfall. Szydlo hatte sich strikt gegen eine zweite Amtszeit für ihren Landsmann Tusk gewandt. Die übrigen EU-Länder stimmten dennoch gemeinsam für den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten, der nun bis Ende 2019 im Amt bleiben kann.
Tusk will für alle arbeiten
Dass Polen den Gipfeltext nicht mittragen will, hat auf die Wiederwahl Tusks keine Auswirkungen. Politisch ist sie jedoch heikel. Denn die EU wollte angesichts ihrer vielen Krisen gerade jetzt Geschlossenheit demonstrieren.
Tusk sagte nach seiner Wahl, er werde für alle Mitgliedstaaten arbeiten, also auch für Polen. Und er werde alles tun, damit sich sein Land nicht weiter politisch isoliere. «Ich werde eine Lösung finden», sagte Tusk.
Kopfschütteln über das Verhalten der polnischen Regierung
Wie er denn mit der polnischen Regierung kommunizieren wolle, nachdem diese explizit zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nicht mit ihm zusammenarbeiten wolle, fragte ein Journalist. Tusk erwiderte, er werde dies auf Polnisch tun. Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ergänzte, dies sei hoffentlich eine Sprache, die Polen verstehe.
In Brüssel schütteln viele nur den Kopf über das Verhalten der polnischen Regierung. Donald Tusk selber sagte an die polnische Regierung gerichtet: «Sei vorsichtig mit dem Einreissen von Brücken, denn wenn sie einmal weg sind, kannst du sie nicht mehr überqueren.»
Tusk und Kaczynski mögen sich nicht
Polens nationalkonservative Regierung wirft dem früheren polnischen Ministerpräsidenten Tusk vor, sein Amt als EU-Ratspräsident missbraucht und sich in den politischen Konflikt in Polen eingemischt zu haben. Ausserdem liegt der liberale Tusk politisch über Kreuz mit dem Chef der aktuellen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski. Am Wochenende hatte die PiS daher den polnischen Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski als Kandidaten für das Ratspräsidentenamt nominiert. Er galt jedoch von vorneherein als chancenlos. So stand Polen seit Beginn der Debatte um die Wiederwahl Tusks isoliert da. Alle anderen Staats- und Regierungschefs, die sich vor Beginn des EU-Gipfels öffentlichen äusserten, sprachen sich für Tusk als EU-Ratspräsident aus. |