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Blick über die Schulter einer Schülerin an ihrem Pult.
Legende: Beat Zemp will die Eltern verstärkt in die Pflicht nehmen – denn auch sie verlangen den Schulen viel ab. Keystone

Schweiz «Elternabende sind Pflichttermine»

Der Fall eines Ehepaars, das gegen die Busse für einen geschwänzten Elternabend vorging, sorgt für Schlagzeilen. Für Beat Zemp, den Präsidenten des Lehrerdachverbands, ist klar: Gerade in Zeiten, in denen Eltern den Schulen immer mehr abverlangen, stehen auch sie in der Verantwortung.

Die ersten Schulwochen im August und September sind die Zeit der Elternabende. Doch an vielen Orten sind diese nicht obligatorisch. Deshalb hat das Bezirksgericht Bülach gestern ein Ehepaar freigesprochen , das sich vor Gericht erfolgreich gegen eine Busse von 200 Franken gewehrt hat. Sie waren einem Elternabend ferngeblieben.

Juristisch ist der Fall erledigt. Nichtsdestotrotz fordert Beat Zemp, Zentralpräsident des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern auf, ihre Pflicht wahrzunehmen – gerade wenn sie selber immer höhere Anforderungen an die Schulen stellen.

SRF News: Sollten Elternabende obligatorisch sein?

Beat W. Zemp

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Beat W. Zemp ist Zentralpräsident des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, LCH. Er studierte Mathematik, Geographie und Pädagogik und unterrichtete bis 2013 auf der Gymnasialstufe.

Beat Zemp: Ich würde sagen, die Elterngespräche müssten unbedingt obligatorisch sein. Hier findet eine direkte Begegnung zwischen der Lehrperson und Erziehungsberechtigten statt, und die Lernerfolge des Kindes werden besprochen. Bei den Elternabenden gibt es beide Modelle, also obligatorische wie auch fakultative. In aller Regel steht es im Schulgesetz, wie viele Elternabende obligatorisch sind. Wichtig ist, dass die Schulen klar deklarieren, ob ein Anlass obligatorisch ist oder nicht.

Und wenn ein Elternabend obligatorisch ist, fänden Sie es auch richtig, wenn Eltern im Falle des Fernbleibens gebüsst werden könnten?

Ja. Viele Kantone haben Elternbussen eingeführt. Es gab in den letzten 15 Jahren zwei gegensätzliche Trends. Einerseits nehmen die Schulen die Eltern verstärkt in die Pflicht, das geht bis hin zu besagten Bussen. Andererseits sind die Erwartungen der Eltern an die Lehrpersonen und die Schulen massiv gestiegen. Die Rekurse haben zugenommen; im Kanton Freiburg gibt es sogar Bestrebungen, das Rekursrecht einzuschränken, weil die Flut an Rekursen durch die Eltern nicht mehr zu bewältigen ist.

Ob obligatorisch oder nicht: Welche Funktion haben Elternabende in einer Zeit, in der viele Erziehungsberechtigte kritischer sind?

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Es geht vor allem darum, Vertrauen aufzubauen, sich gegenseitig kennenzulernen. Das ist ganz wichtig. Aus der Schulwirksamkeitsforschung weiss man, dass es drei Hauptfaktoren für die gute Entwicklung eines Kindes gibt: Die Eltern und ihre Anteilnahme am Lernen; das Verhältnis der Lehrperson zum Kind und professionelle Unterrichtsführung; schliesslich individuelle Faktoren bei den Schülerinnen und Schülern, also die Motivation. Die Zusammenarbeit von Eltern und Lehrpersonen ist dabei natürlich entscheidend.

Sie befürworten also, dass die Lehrer mehr Druckmittel hätten, um die Eltern zur Teilnahme an Elternabenden zu bringen?

Das gehört dazu. Wir investieren in unserer Bundesverfassung und unserem Land generell sehr viel bezüglich unseres Bildungswesens. Das kostet auch viel. Die Gegenleistung der Eltern sind die Elternpflichten, dazu gehört die Teilnahme am Elternabend. Es ist nicht mehr als recht, dass sie diese Pflicht dann auch erfüllen.

Ein generelles Obligatorium für Elternabende ginge Ihnen zu weit?

Elternabende sind bereits in fast allen Schulgesetzen, die ich kenne, vorgeschrieben. Wie genau es abgewickelt wird, hat auch mit der Tradition an der betreffenden Schule zu tun.

Das Gespräch führte Stefan Kohler.

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