Wer hin und wieder einen Blick in digitale Kommentarspalten wirft, der weiss um die bisweilen prekäre Gesprächskultur in Medien und auf sozialen Portalen. Da wird munter geschmäht, diffamiert, beschmutzt und beschuldigt. Woher dieser Hass kommt, liegt für Regula Stämpfli in der «Arena» auf der Hand.
Die Politologin ortet die Schuldigen bei den Medien. Durch die Personalisierung und Emotionalisierung der Berichterstattung komme man immer mehr von der Sache weg. Und je mehr klassische Medien danach auch noch über diese Menschen berichten, desto mehr würde das Problem der sogenannten «Hate-Speeches» verschärft.
Der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner vermutet, dass die Boshaftigkeit solcher Kommentar-Schreiber nur «im stillen Kämmerlein» so aus dem Ruder laufen könne.
Für die Mitbegründerin des Vereins Netzcourage geht diese Einschätzung indes zu wenig weit. Irina Studhalter sieht hinter den «Hate-Speeches» auf Medienseiten und in Social Media politische Hilferufe anklingen.
Hass-Kommentare sind ein Zeichen für ein Demokratie-Defizit
Das mag FDP-Nationalrätin Christa Markwalder nicht unterschreiben. Sie verstehe nicht, wie man im quasi demokratischsten Land der Welt eine solche Wut entwickeln könne, weil man angeblich nichts zu sagen habe. Für Markwalder ist es eine Frage des Respektes. Es gehe darum, diesen Respekt auch im realen Leben vorzuleben.
Für das, was man schreibt, ist man verantwortlich
Dem stimmt Glarner zu. Dennoch verteidigt er die Wut gewisser Bürger und verweist auf die parlamentarische Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. Wenn die Politik etwas mache, was das Volk nicht abgestimmt habe, müsse man sich über solche Reaktionen nicht wundern
Für Stämpfli gilt dieses Argument nur bedingt. Jeder sei verantwortlich für das, was er schreibe. Und das gelte in gewissem Sinne auch für das, was das eigene Schreiben in der Öffentlichkeit auslöse.
Hier erhält Stämpfli Unterstützung von der Hate-Speech-Expertin Studhalter. Sie beschuldigt Glarner, auf seinem Facebook-Account bewusst provokative Aussagen zu machen, die seine Anhänger dann erst dazu verleiten würden, den Anstand in die Ecke zu stellen.
Glarner wiederum berichtet von «organisierten linken Gruppen», die auf seinen Seiten solche unschönen Dispute vom Zaun brechen würden. Und Markwalder lokalisiert ein weiteres Problem bei den Betreibern dieser Portale.
Das System von Medienunternehmen wie Facebook und Google ist es, keine zu sein.
Man könne zwar strafrechtliche Anzeigen starten, sagt Markwalder. Nur würde das eben oft nicht viel bringen. Staatsanwaltschaften müssten sensibilisiert werden. Auch sei es schwierig, Facebook und andere zur Verantwortung zu ziehen.
Regula Stämpfli bringt die Kritik gegen die Kommunikationsgiganten auf den Punkt. «Das System dieser Medienunternehmen ist es, keine zu sein», sagt Stämpfli und erklärt damit auch gleich, warum man diesen Konzernen nicht die Pflichten publizistischer Exaktheit abverlangen könne, wie man das bei allen anderen klassischen Medien mache.
Die Videos aus der Sendung
Gegen eine zu starke staatliche Regulierung spricht sich der Rechtsanwalt Martin Steiger aus. «Wir hier in der Schweiz würden mit den transparenten Daten von Facebook anständig umgehen. Würden das aber auch alle anderen Länder tun?»
Steiger gibt zu bedenken, dass zum Digitalen grundsätzlich ein gewisser Kontrollverlust gehöre. Strafrechtlich eindeutig Relevantes empfiehlt er konsequent zu verfolgen. Die Fragen diesseits der Strafrechtsgrenze seien komplex und bedürfen einer längeren politischen Abarbeitung.
Der erste Kommentar-Post einer öffentlichen Person kann die ganze Debatte determinieren.
In eine ähnliche Kerbe schlägt die Soziologin Lea Stahel. Wir müssten uns als Gesellschaft dem Problem annehmen, plädiert Stahel. Denn «der erste Kommentar einer öffentlichen Person kann die ganze Debatte determinieren.» Es müssten neue Regeln des digitalen Umgangs entwickelt werden. Wie das zu erreichen ist, hierüber ist sich die Runde erfreulich einig.
Es sei gleichermassen die Pflicht der Politik und der Medien, sagt Markwalder, dass in der Schweiz eine respektvolle Gesprächskultur und ein fruchtbarer politischer Umgang erhalten werden könne. Noch weiter in ihren Empfehlungen geht hier im Schlusswort Irina Studhalter. Politiker müssten ein Klima schaffen, fordert sie, in dem sich alle wohl fühlen und zu Wort kommen könnten. Erst dann werde diese Form kommunikativer Eskalationen der Vergangenheit angehören.
In der bekannten « Letzten Frage an die Gäste » fühlt Moderator Jonas Projer schliesslich seinen Gästen auf den digitalen Zahn. Wie ist ihr Umgang mit dem Digitalen?