Die Ausgangslage: Die Rasa-Initiative wurde lanciert, bevor die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative feststanden. Der Bundesrat lehnt das Volksbegehren ab. Das teilte er bereits letzten Oktober mit. Kurz vor Weihnachten legte er dann zwei Vorschläge für einen Gegenentwurf auf den Tisch.
Heute präsentierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Ergebnis der Beratungen den Medien in Bern.
Der Entscheid: Der Bundesrat verzichtet nach dem Ende der Vernehmlassung auf einen Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative. Die Rückmeldungen der Parteien, Verbände und Kantone seien mehrheitlich negativ gewesen, erklärte die Justizministerin den Entscheid.
Die Vorschläge hätten kaum Unterstützung erhalten, dafür seien zahlreiche Änderungsvorschläge eingegangen. Diese seien aber in alle Richtungen gegangen. «Der Bundesrat hat seine Lehren daraus gezogen und entschieden, zu verzichten», so Sommaruga. Er sehe keinen Gegenentwurf, der mehrheitsfähig wäre. Trotzdem am eigenen Vorschlag festzuhalten, bringe nichts.
Einige Vernehmlassungsteilnehmer hätten eine Grundsatzabstimmung über die Personenfreizügigkeit verlangt. Dazu habe die Bevölkerung aber noch mehrfach Gelegenheit, erklärte Sommaruga, und rief die Abstimmungsagenda in Erinnerung.
Der Bundesrat hat seine Lehren daraus gezogen.
Neben der Rasa-Initiative sei die Selbstbestimmungsinitiative auf gutem Weg. Und eine Kündigungsinitiative, die diese Frage direkt stelle, sei schon geplant. Da das Referendum gegen die Umsetzung der Zuwanderungsinitiative gescheitert sei, gehe sie jedoch davon aus, dass eine Mehrheit mit der jetzigen Lösung zufrieden sei.
Die Reaktionen: Die Initianten des Volksbegehrens haben noch nicht über einen allfälligen Rückzug der Initiative entschieden. Voraussichtlich bis im Sommer wolle man die strategische Ausrichtung festlegen, sagte Vorstandsmitglied Beat Ringger. Bundesrätin Sommaruga sagte ebenfalls, dass die Initianten nun entscheiden müssten, ob sie ihr Begehren zurückziehen wollten. Die Rasa-Initiative sei zwar wichtig, habe aber ihren Zweck erfüllt: Die Bilateralen seien nicht gekündigt worden.
Die SVP begrüsst den Verzicht auf einen Gegenvorschlag. Parteipräsident Albert Rösti sagte, er hoffe nun, dass sich das Volk rasch zur Initiative äussern könne.
Für SP-Präsident Christian Levrat ist der Entscheid des Bundesrates vernünftig. Falls Rasa dereinst ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommt, will sich das Präsidium der SP für eine Nein-Parole einsetzen.
Für die FDP besteht kein Handlungsbedarf. Der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri äusserte auf Anfrage Verständnis für den Entscheid des Bundesrates, nachdem dessen Vorschläge für einen Gegenvorschlag gar nicht gut angekommen seien.
Der Bundesrat habe offenbar selbst nicht an seine Vorschläge geglaubt, kommentierte CVP-Präsident Gerhard Pfister den Verzicht auf einen Gegenvorschlag. Die Frage des Gegenvorschlags werde sicher in der Kommission diskutiert werden. Er sehe aber keinen Mehrwert oder Nutzen, und auch keine Mehrheit.
Für die Grünen hat der «mutlose Bundesrat» eine grosse Chance in der Europapolitik verpasst. Nun müsse das Parlament den Lead übernehmen.
Die Grünen wollen sich weiterhin für einen Gegenvorschlag einsetzen und dabei den Schutz der Arbeitnehmenden stärken.
So geht es weiter: Das Parlament hat ein Jahr Zeit, um eine Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Entscheidet sich ein Rat für einen Gegenvorschlag, kann die Frist um ein Jahr verlängert werden. Wird die Rasa-Initiative nicht zurückgezogen, wird das Stimmvolk über sie befinden, egal ob ein Gegenvorschlag vorliegt. Der Abstimmungstermin steht noch nicht fest.
- Bei einem Ja zur Rasa-Initiative wird der Zuwanderungsartikel ersatzlos aus der Verfassung gestrichen. Das heisst, der Auftrag zur Steuerung der Zuwanderung entfällt. Laut Sommaruga könnte das Gesetz zur Umsetzung aber dennoch in Kraft bleiben.
- Bei einem Nein bleibt der Artikel erhalten – mitsamt allen Widersprüchen. Das Gesetz sieht lediglich einen Inländervorrang vor, während in der Verfassung von Höchstzahlen und Kontingenten die Rede ist. Diese sind jedoch nicht mit der Personenfreizügigkeit vereinbar.