Der St. Galler Sozialvorsteher Nino Cozzio von der CVP sitzt an einem Tisch in seinem Büro, stapelweise Papier mit Statistiken, Zahlen und Interpretationen. Er beschäftigt sich intensiv mit der Sozialhilfe. Ein Grund, warum es Menschen mit Sozialhilfe in die Stadt zieht, sei die Anonymität. Vor den Augen aller in einem Dorf bei der Gemeinde erscheinen zu müssen, sei etwas ganz anderes als in der Stadt vergleichsweise anonym an den Schalter gehen zu können, sagt Cozzio.
Und weil St. Gallen im Gegensatz zu anderen Städten direkt an ländliche Gemeinden grenzt, sei der Weg in die Stadt kurz. Grossstädte wie Zürich seien von grossen Agglomerationsgemeinden umgeben, die ebenfalls eine gewisse Anonymität bieten. Zudem gebe es in St. Gallen vergleichsweise viele günstige Wohnungen, welche sonst in grösseren Städten kaum auf dem Markt sind. Hinzu kommen städtische Vorteile wie bessere Jobmöglichkeiten und professionelle Betreuung.
Knausrige Landgemeinden
Attraktiv ist die Stadt St. Gallen auch, weil sie sich an die Regeln hält. Cozzio nervt sich über einzelne andere Gemeinden im Kanton. Diese unterschreiten die kantonal abgemachten Ansätze, welche auf den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe basieren. Diese Gemeinden zahlen den Sozialhilfebzügerinnen und -bezügern weniger Geld aus, als sie eigentlich müssten.
Auch wenn eine solche Gemeinde davon profitiere, sei das unfair und auch nicht weitsichtig. «Es ist niemandem damit geholfen, wenn man Sozialhilfebezüger einfach hin und her schickt», ärgert sich Cozzio. Diese verdienten eine anständige Behandlung und Unterstützung bei der Rückkehr in die Arbeitswelt.
Neuer Lastenausgleich
St. Gallen für Sozialhilfebezüger unattraktiv machen, ist für Sozialvorsteher Cozzio deshalb keine Option. Er setzt auf das revidierte St. Galler Sozialhilfegesetz, welches der Kantonsrat zurzeit diskutiert. Der Kanton soll neu eingreifen dürfen, wenn Gemeinden die abgemachten Ansätze für die Sozialhilfe unterschreiten.
Zudem soll der Lastenausgleich bei der Sozialhilfe gerechter gestaltet werden. Die kleinen Gemeinden mit wenigen Sozialhilfefällen sollen die grossen Gemeinden mit vielen Fällen entschädigen.