SRF: Der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, Thomas Hurter sagt, es sei naiv zu glauben, dass diese Schulungen den Frieden fördern. Sehen Sie das auch so?
Rüdiger Frank: Das ist eine Frage der Perspektive. Naiv wäre es zu erwarten, dass die Offiziere Genf als lupenreine Demokraten und Widerstandskämpfer gegen das Regime verlassen. Wir werfen Nordkorea oft vor, den Menschen Informationen über den Rest der Welt vorzuenthalten. Die Bevölkerung in Nordkorea bekommt von Geburt an zu hören, dass sie im besten Land der Welt leben. Wenigstens einige können nun einen Vergleich vornehmen.
Welche Bedenken haben Sie, wenn Sie von dieser Ausbildung hören?
Es ist ja nicht das erste und einzige Mal, dass es so genanntes Capacity Building (Aufbau von Fähigkeiten) für Nordkoreaner gibt. Üblicherweise findet dies im zivilen Bereich statt, etwa in der Landwirtschaft, beim internationalen Recht oder im Finanzwesen. Die Schulung von Offizieren ist eine militärische Frage und deswegen heikel.
Könnte denn auch das nordkoreanische Regime irgendwie innenpolitisch von diesem Austausch profitieren?
Gerade in Ländern wie Nordkorea gelten Auslandsreisen als etwas sehr Wertvolles. Wenn man nicht genau aufpasst, wie diese Leute ausgewählt werden, könnte es passieren, dass eine solche Reise als Belohnung für besonders treue Parteikader verwendet wird.
Und welchen Profit könnte die Schweiz aus diesem Programm ziehen, zum Beispiel die Geheimdienste?
Wir wissen relativ wenig über Nordkorea und jeglicher Kontakt mit Menschen Nordkoreas ist für unsere Seite interessant. Wir erfahren, welche Fragen dort gestellt werden und wie hoch das Kenntnisniveau der Führungskräfte in Nordkorea ist. Dazu können solche Schulungen auch ihren Beitrag leisten.
Kommt man so relativ einfach an Informationen, die man sonst kaum bekommen würde?
Einfach ist es sicher nicht. Man kann davon ausgehen, dass die Leute natürlich vorher in Nordkorea vorbereitet werden auf das, was sie zu sagen haben oder eben nicht. Aber es sind Menschen und die Frage ist, wie konsequent sie es durchhalten.
Das Schweizer Verteidigungsdepartement nennt die Ausbildung der nordkoreanischen Offiziere eine Art Friedensförderung. Aber können diese Offiziere den Wandel herbeiführen, wenn sie wieder in Nordkorea sind?
Der Beginn des Ersten Weltkriegs jährt sich heute zum 100. Mal. Als er zu Ende war, hat man viel darüber nachgedacht, ob diese Katastrophe bei einem besseren gegenseitigen Verständnis vermeidbar gewesen wäre. Wenn man dieser Logik oder der liberalistischen Schule der internationalen Beziehungen folgt, dann müsste man schon sagen, ja. Über einander etwas zu wissen ist grundsätzlich friedensfördernd.
Aus eigener Erfahrung aus der DDR und der Sowjetunion kann ich auch sagen, dass es durchaus Konsequenzen für die individuelle Sicht der Welt und auch derjenigen des eigenen Heimatlandes hat, wenn man Alternativen kennengelernt hat. Man kann besser vergleichen. Das führt nicht zwangsläufig zum Wandel und auch nicht unmittelbar, aber es legt sicher eine Grundlage dafür.
Zum Schluss: Würden Sie persönlich nordkoreanische Offiziere ausbilden?
Wenn ich Einfluss auf die Auswahl dieser Leute nehmen könnte und wenn ich Einfluss auf die Ausbildungsinhalte hätte, ja.
Das Gespräch führte Simon Leu