Auch wenn man Stimmen wie jene von Amy Winehouse, Duffy und Adele keinesfalls missen möchte: Das Pop-Pendel schwingt zur Zeit in die andere Richtung. Tief und rau war gestern, hoch und astrein ist heute. Sias «Chandelier» war auf Platz 2, Ariana Grandes «Problem» auf Platz 8, Ellie Gouldings Fifty Shades-Song «Love Me Like You Do» war fünf Wochen auf Platz 1 - und das obwohl hohe Stimmen doch angeblich soviele Leute nerven (falls es euch auch so geht, ihr könnt nichts dafür, die Evolution ist schuld: Hohe Töne signalisieren Alarm, und in Krisensituationen geht unsere Stimme naturgemäss in die Höhe. Deshalb tendieren viele bei hohen Tönen eher zum Wegrennen als zum Hinhören und Schwelgen.)
Mit der Engländerin Jessie Ware steht schon die nächste hohe Stimme am Start: Ihre Single «Champagne Kisses» hört ihr neu auf SRF 3.
Wer bis hierher gelesen hat, mag offensichtlich hohe Stimmen oder will zumindest seine Toleranz austesten. Gute Entscheidung, denn hier gibts viel Schönes zu entdecken.
Hohe Stimmen: Die Geheimtipps
Diese aktuellen Musikerinnen sucht ihr vergeblich in den Charts, aber sie begeistern zurecht die Musikblogs:
Susanne Sundfør
Die Indiepop-Sirene aus Norwegen belegt in der Heimat regelmässig Platz 1.
Frazey Ford
Die Stimme dieser Memphis-Soulerin aus Kanada erinnert an die Country-Ikone Dolly Parton.
Natalie Prass
Diese hohen Soul-Klänge kommen aus dem Herzen der Indie-Szene von Nashville.
Kyla la Grange
Zugegeben, sie ist viel bekannter als die obigen, aber in der Schweiz unerklärlicherweise doch nicht in den Top Ten gelandet. Auf ihrer Single «The Knife» erinnert sie wundervoll an Kate Bush.
Hohe Stimmen: Die Pionierinnen
Bis hierher gelesen und bei der Erwähnung von Kate Bush ein Video vermisst? Einverstanden. Gerade auch weil die Vorbilder wieder sehr präsent sind: Kate Bush gab letztes Jahr zum ersten Mal seit über 30 Jahren wieder Konzerte, und Dolly Parton löste am grössten Festival der Welt Begeisterungsstürme aus, auch bei den ganz jungen Festivalbesuchern. Vielleicht haben diese beiden so auch die aktuelle hohe Stimmenwelle mitausgelöst.
Kate Bush
Die Grande Dame des englischen Pop prägt bis heute das Selbstverständnis der britischen Sängerinnen (wie Kyla la Grange, s.o.). «Wuthering Heights» klingt jedesmal höher als man's in Erinnerung hat.
Sandy Denny
Noch vor Kate Bush machte sie in den 60s als Sängerin der Band Fairport Convention vor, wie man Folkrock singt.
Dolly Parton
Sie muss nichts mehr beweisen, und trotzdem bewies sie letzten Sommer am Glastonbury-Festival, dem grössten Festival der Welt, dass ihr immernoch alle, die Ohren am Kopf haben, zu Füssen liegen.
Janis Joplin
Zugegeben, die Beschreibung «astrein» trifft hier nicht zu. Die unvergessliche amerikanische 60s-Stimme beweist: Hoch und bluesig-kratzig muss sich nicht ausschliessen.