«Deux jours, une nuit» ist in jeder Beziehung ein Dardenne-Film: Dokumentarisch präzise, dramaturgisch auf das absolute Minimum reduziert, durchs Band perfekt besetzt mit Laien und Profis, angesiedelt mitten im harten Leben der arbeitenden Mehrheit. Aber etwas ist anders.
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Zum ersten Mal haben sich die belgischen Regie-Brüder an so etwas wie einem «High Concept Movie» versucht. Einen jener Filme, deren Grundkonflikt sich in einem Satz beschreiben lässt – oder gar in einem Titel wie «Snakes on a Plane» oder «ConAir».
Über einen Arbeitsplatz abstimmen
Marion Cotillard spielt die Arbeiterin Sandra. Ihr Boss lässt die Belegschaft darüber abstimmen, ob alle auf ihren Jahresbonus verzichten mögen, damit er Sandra nicht entlassen muss. So weit, so simpel.
Sandra hat sich eben erst von einer schweren Depression erholt. Und der Betriebsleiter hat während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit festgestellt, dass der Betrieb auch mit 17 statt mit 18 Angestellten aufrechterhalten werden kann.
Die erste Abstimmung fällt nicht zu Gunsten Sandras aus. Weil aber offenbar der Vorarbeiter gegen Sandra Stimmung gemacht hat, willigt der Chef ein, die Abstimmung zu wiederholen. Einen Samstag und einen Sonntag hat sie Zeit, ihre Kolleginnen und Kollegen einzeln aufzusuchen und sie zu überzeugen.
Rückschläge, Feigheiten, Solidarität
Als dramaturgische Anlage scheint das auf den ersten Blick fast schon Abzählvers-Charakter zu haben. Aber die Dardennes lassen nicht nur jede Begegnung absolut anders und überraschend ablaufen, sie sorgen auch dafür, dass es nicht einfach um einen Arbeitskonflikt und quasi-gewerkschaftliche Solidarität geht. Denn ihr Mann Manu (Fabrizio Rongione) muss Sandra zuerst einmal davon überzeugen, dass sie die deprimierende Tour überhaupt in Angriff nimmt. Er weiss, dass es nicht um ihre Stelle geht, sondern um ihr Selbstwertgefühl.
In knackigen 95 Minuten spielt der Film alle möglichen Begegnungen durch, mit Rückschlägen, Feigheiten, Solidarität und unerwarteten neuen Konflikten. Präzise und unerbittlich, wie immer bei den belgischen Regiebrüdern. Marion Cotillard ist dabei absolut überzeugend. Keine Spur vom französischen Glamour, sogar ihre Schönheit spielt sie fast unmerklich weg.
Das ist packend wie eh und je, moralisch eindeutig, und nie verurteilend einzelnen Figuren gegenüber. Die Dardennes haben es einmal mehr geschafft, aus ihrer Methode und ihren Themen eine neue Variation heraus zu drehen. Und dabei haben sie sich auch noch höchst elegant ins Gewerkschafts- und Solidaritäts-Territorium von Ken Loach vorgewagt.