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Eine Frau in grauem Mantel blickt streng auf die Seite.
Legende: «Eitelkeit ist bei dieser Mutter ein grosses Thema» – Anke Engelke als Jessica Höfel im Film «Frau Müller muss weg». pathe

Film & Serien Anke Engelke: «Leute, wisst ihr eigentlich was über eure Kinder?»

Erfolgreich, gestresst, streng: Anke Engelke spielt im Film «Frau Müller muss weg» eine Karrierefrau und Mutter, die das eigene Kind fördern will – mit allen Mitteln. Auch privat ist die Komödiantin Mutter von drei Kindern. Ein Gespräch über Erziehung, Leistungsdruck und die eigene Schulzeit.

Frau Engelke, Sie spielen im Film eine gestresste und sehr strenge Mutter. Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?

Anke Engelke: Reizvoll ist es, wenn man versuchen muss, die Figur zu verstehen, die man spielt. Wenn man sich im Vorfeld nicht viele Gedanken machen muss, weil eine Figur total klar ist und eine persönliche Deckung besteht, dann finde ich das nicht so spektakulär. Wenn ich aber nicht verstehe, warum die Figur so handelt, dann finde ich das reizvoll.

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Eine Frau sitzt an einem Pult vor einer grünen Wandtafel
Legende: pathe

In «Frau Müller muss weg» versucht der Elternrat die langjährige Lehrerin ihrer Kinder wegzumobben. Dabei werden die Eltern vor allem auf sich und ihre ureigenen Probleme zurückgeworfen und benehmen sich kindischer als ihr Nachwuchs. Anke Engelke spielt eine Karrierefrau, die sich zur Elternanführerin aufschwingt.

Das heisst, Sie haben keine «persönliche Deckung» mit der überstrengen Mutter?

Nö, ich versteh ganz viel nicht, was die macht.

Zum Beispiel?

Ich verstehe das Verhältnis zu ihrer Tochter nicht.

Was ist das für ein Verhältnis?

Ich fürchte, es ist ein liebevolleres Verhältnis, als es in der Kürze des Films rüberkommt. Ich habe versucht, das zu vermitteln. Ich glaube, dass jemand, der so engagiert ist, das nicht nur aus Eitelkeit macht. Eitelkeit ist bei dieser Mutter natürlich ein ganz grosses Thema. Die Wirkung und die Selbstdarstellung sind wichtig. Da ist ne Chefin. Die arbeitet in nem Ministerium, schubst da Leute rum. Warum geht sie überhaupt zu so einem Elternabend? Da muss irgendwas da sein. Das habe ich auch versucht zu finden. Das war schwer.

Haben Sie denn irgendwas gemeinsam mit dieser Frau?

Na, die Basics halt: Frau, Mutter, lange Haare.

Man hört ja munkeln, dass Sie auch eine strenge Mutter seien.

Das ist eine Frage der Auslegung. In erster Linie bin ich halt lustig und fröhlich. Und dann habe ich so ne Seite, die vielleicht auch von einer gewissen Faulheit herrührt. Ich habe keinen Bock, mich zu stressen und zu streiten. Und im Fall von Erziehung bedeutet das, dass man ein paar Sachen im Vorfeld klärt. Also bevor das Problem auftaucht. Man klärt zum Beispiel, warum die Kinder heute soundso früh ins Bett müssen, am besten schon am Morgen. Und begründet das. Damit es dann abends kein Thema mehr ist.

Der Film ist eine Anspielung auf den grassierenden Leistungsdruck, auf einen gewissen Akademisierungswahn. Eine sehr aktuelle Debatte in Deutschland und auch bei uns in der Schweiz. Was macht dieses Thema für Sie interessant?

Für mich ist das Thema schon immer interessant. Ich habe eine gewisse Affinität dazu, weil ich ja mal Pädagogik studiert habe. Spannend war für mich während der Dreharbeiten aber auch die Frage, wie das in meiner Kindheit eigentlich war. Gab es das Thema Eignung, gab es die Diskussion «Gymnasium, ja oder nein?». Nein! Ich kann mich an keinen Stress erinnern. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Kind gesagt hätte: «Ach, ich muss aufs Gymnasium, dabei will ich viel lieber eine Ausbildung machen.» Das war kein Thema.

Erkennen Sie denn gewisse Züge der Filmeltern in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis?

Nee, ich habe da richtig Glück, ich hab ganz coole Freunde. Keine Panikmacher. Aber ich beobachte natürlich viel im Alltag, in der Bahn, auf der Strasse, wie Eltern und Kinder miteinander umgehen. Und dann versuche ich rauszulesen, was bei denen zuhause los ist. Generell ist es aber immer so, dass es Phasen gibt, in denen die Kinder den Eltern gar nichts mehr erzählen – oder nur Mist. Oder in denen sie die Eltern brauchen, es aber nicht zeigen. Oder sie nicht brauchen.

Das Auffälligste an dem Film ist ja tatsächlich, dass kein einziges Kind drin vorkommt und dass man das Gefühl bekommt, Eltern und Kinder reden gar nicht miteinander. Die haben gar keine Ahnung voneinander.

Genau das ist der Punkt. Ich würde mir wünschen, dass der Film genau das erzählt. Dass es eine Balance geben muss zwischen einer zuversichtlichen Haltung von Eltern, Gesellschaft und Lehrern. Eine Zuversicht, auch Optimismus. Und dann halt immer reden, reden, reden! Das nervt Menschen, vor allem kleine Menschen. Man kann ja zur Not auch mal schreiben. Aber reden ist das Wichtigste, da haben Sie schon Recht. Der Film fragt auch das: Leute, wisst ihr eigentlich irgendwas über eure Kinder?

Was genau ist denn eigentlich das Problem? Die Fixiertheit aufs eigene Kind oder dass sich Eltern einfach viel zu wichtig nehmen?

Interessanterweise beides. Bei manchen Eltern merk ich, die sind echt dran. Die sind interessiert, gehen aber auch einen Schritt zurück, wenn sie merken: Oh, jetzt bin ich zu nah dran. Aber es stimmt auch, dass heutige Eltern mit sich selbst sehr beschäftigt sind, weil sie ne Generation sind, die nicht sehr viel Mist erlebt hat. Also ich hab nix Schlimmes erlebt in meinem Leben. Ich bin in Frieden aufgewachsen. Ich hab nen Job, mir geht’s gut. Da muss es doch irgendetwas geben, etwa ganz Schreckliches in meinem Leben? Haaaah! Und bumms wird alles auf’s Kind projiziert. Schon regt man sich über die schulische Laufbahn auf. Oder über die Lehrer. Dabei ist das gar nicht das Problem.

Wie stellen Sie sich denn eine glückliche, erfolgreiche Zukunft Ihrer Kinder vor?

Naja, ich hoffe mal, dass da niemand sagen wird, dass sie Atomphysiker werden müssen. Ich glaube, das Schönste wäre, wenn Eltern sagen: «Hoffentlich macht mein Kind etwas, was es froh macht.» Welt retten fänd ich natürlich super, aber es muss nicht sein.

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