Wieso wollten Sie diesen Dokumentarfilm «Mathias Gnädinger – die Liebe seines Lebens» machen, diese Hommage an Mathias Gnädinger?
Stefan Jäger: Ich hatte schon drei grosse Filme mit Mathias Gnädinger realisiert, und über die Jahre ist eine Freundschaft entstanden. Auf dem letzten Dreh in Japan intensivierte sich unsere Beziehung. Es war eindrücklich zu sehen, wie Mathias Gnädinger aufblühte und noch einmal aus dem Vollen schöpfen konnte. Dies auch dank seiner Ehefrau Ursula. Sie war seine grosse Liebe und «Stütze». Sie hat die Texte mit ihm eingeübt, war bei unserem Dreh seine Maskenbildnerin und bei allen Projekten auch eine grosse Motivatorin.
Als er dann so plötzlich gestorben ist, wollte ich Ursula Zeit und Raum geben, diese spezielle Liebesgeschichte zu erzählen. Und über die Liebe zu reflektieren, die Mathias zu seiner Arbeit hatte.
Was war so speziell an dieser Liebesgeschichte?
Sie kannten sich als Kinder, lebten eine Jugendliebe, verloren sich mit 22 aus den Augen und fanden vor 15 Jahren wieder zusammen. Ich finde, durch die Ruhe und Kraft, die ihm diese Beziehung gab, hat er sich schauspielerisch auf einer neuen Ebene noch einmal geöffnet.
Sie erlebten Ursula und Mathias in Japan und der Schweiz hautnah. Privat und auf dem Set. Was hat Ihnen imponiert?
Ursula war seine grosse Liebe. Mathias Gnädinger hat öfters betont, wie glücklich er sei, dass er Ursula wieder gefunden habe. Es war eine reife Liebe mit viel Humor, Verbundenheit und Zärtlichkeit. Beide strahlten das Vertrauen aus, im reifen Alter den «Richtigen» gefunden zu haben.
Sie haben für den Dokumentarfilm zahlreiche Weggefährten von Mathias Gnädinger aufgesucht. Welche Aussage hat Sie besonders beeindruckt?
Die Aussage von Regisseur Markus Imhoof. Er sagte: «Mathias hat dich nicht sofort umarmt und physisch die Nähe gesucht, wie viele andere Schauspieler. Es war eine spezielle Art von Respekt.» Diese eigenwillige Nähe hat auch mich immer fasziniert. Einerseits körperliche Distanz, andererseits war da immer grosse Zärtlichkeit in seinem Blick und grenzenloses Vertrauen.
Haben Sie etwas Neues über Mathias Gnädinger gelern t?
Ich wusste nicht, wie oft er auf der Bühne gestanden hatte, und zahlreiche seiner wunderbaren Hörspiele kannte ich gar nicht. Ich wusste auch nicht, dass er schon in jungen Jahren sehr erfolgreich war.
Was zeichnete Mathias Gnädinger als Volksschauspieler aus?
Er war extrem «uneitel». Er schaute sich nie beim Spielen zu, sondern spielt die Rolle mit allen Fasern seines Körpers. Der Banker in der Stadt aber auch der Bauer im Emmental verstehen, was er sagt und glauben ihm das auch. Das hat mit seiner Ehrlichkeit und Authentizität zu tun. Er war nicht nur im Leben ehrlich, sondern auch im Schauspiel.
Das sagt ja auch sein Sohn Gilles im Dokumentarfilm: Er habe nie so einen ehrlichen Menschen kennengelernt.
Man wusste genau, was ihn bewegte. Auch wenn er jemanden nicht mochte, dann spürte man das. Er war ein gestandener Schauspieler, geerdet und verwurzelt.
Haben Sie jemals daran gedacht, dass «Der grosse Sommer» Mathias Gnädingers letzter Film sein wird?
Nein, daran habe ich nie gedacht. Erst an seinem Todestag habe ich erfahren, dass er vor der Abreise nach Japan einen Abschiedsbrief geschrieben hatte. Wieso er das gemacht hat, weiss ich nicht. Er war sehr sensibel. Ich aber habe in keiner Sekunde daran gedacht, dass es sein letzter Film sein könnte. Im Gegenteil, ich hatte – wie so viele – noch zahlreiche Ideen für neue Filme mit ihm.