«Weisse Männer, die Eingeborene spielen? Ich liebe es. Weil es so komisch ist», schmunzelt der indigene Filmregisseur Chris Eyre («Smoke Signals»), statt sich darüber aufzuregen. Er sagt das im Dokumentarfilm «Reel Injun» (2009), und die darauf folgende Montage versinnbildlicht in rascher Abfolge, worüber sich Eyre dermassen amüsiert: Burt Lancaster, Charles Bronson, Anthony Quinn, Elvis Presley, Burt Reynolds und sogar Boris Karloff werden alle eingebräunt im Brockenhaus-Indianerlook gezeigt – in ernst gemeinten Filmen. Und das ist tatsächlich zum Brüllen.
Ironisch ist an diesen Filmen, dass sie eigentlich als eine Art Wiedergutmachung gedacht waren: Nachdem Hollywood in zahllosen Western der 1930er die indigenen Völker auf schlimmste rassistische Klischees reduziert hatte, sollten diese Filme aus den 1950er und 1960er ein differenzierteres Licht auf die Materie werfen. Nur eben: So sehr sich die Drehbücher auch um Ausgeglichenheit bemühten – spätestens beim Casting war es vorbei mit den redlichen Absichten. Kein Studio zog es ernsthaft in Erwägung, einen Ureinwohner oder eine Ureinwohnerin in einer Hauptrolle zu besetzen und womöglich gar zum Star aufzubauen.
Als die Ureinwohner die Kameras selbst in die Hand nahmen
Die US-Filmindustrie hat sich immer schwer getan mit den Natives. Die indigenen Völker, massakriert bei der Schlacht von Wounded Knee und danach in Reservate abgeschoben, waren viel zu eng an das schlechte Gewissen der Amerikaner gebunden, um im Kino vernünftig thematisiert werden zu können. Erst mit dem Aufkommen des Independent-Films Anfangs der 1960er geriet die Sache in Bewegung – und natürlich ein Jahrzehnt später, als die amerikanische Hippiekultur sich, manchmal etwas blind, für indianische Spiritualität zu begeistern begann.
Es war der Brite Ken Mackenzie, der 1961 für seinen Film «The Exiles» erstmals das unbeschönigte Leben einiger Natives porträtierte, die aus den Reservaten nach Bunker Hill, Los Angeles, gezogen waren. Ein enorm wichtiges und schönes Zeitdokument, das leider in der Retrospektive fehlt, die das Internationale Filmfestival Freiburg FIFF 2015 dieser Thematik widmet. Das FIFF-Programm blickt vor allem auch auf die Zeit, als Ureinwohner – etwas später – selbst Kameras in die Hand nahmen.
Von den USA, über Kanada bis nach Grönland
Die in der Nebensektion «Terra incognita: Nordamerikanisches indigenes Kino» angebotenen Filme reichen weit über die Vereinigten Staaten hinaus, über Kanada bis nach Grönland zu den Inuit. Die einzelnen Spiel- und Dokumentarfilme müssen hier nicht aufgezählt werden, die Website des FIFF listet alle auf.
Vor Ort in Freiburg sind die engagierte Filmemacherin Alanis Obomsawin («Kanehsatake: 270 Years of Resistance») und der eingangs erwähnte Chris Eyre, der seinen Klassiker «Smoke Signals» von 1998 vorstellen wird: Ein vergnügliches Road-Movie, das mit erfrischender Aufrichtigkeit und viel Humor vom Leben in den Reservaten erzählt.
Wenig Hass, dafür viel Humor
Diese Warmherzigkeit zieht sich durch viele Filme der Selektion. Es ist zwar da und dort von Frustration und Unterdrückung die Rede, vom Kampf nach Gleichbehandlung, aber kaum jemals von Hass. Stattdessen erfahren wir Demut, Poesie und viel Augenzwinkern. Oder wie es ein indigener Stand-up-Comedian im Dokumentarfilm «Reel Injun» in seiner Bühnen-Nummer auf den Punkt bringt: «Ihr wusstet wahrscheinlich gar nicht, dass wir Indianer einen Sinn für Humor haben. Aber ihr selbst seid ja auch nicht gerade zum Brüllen komisch.»
Sendehinweis: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 20.3.2015, 17.10.