Es waren nicht Putsch und Revolution, die den chilenischen Diktator schliesslich stürzten. Pinochet hatte sich sprichwörtlich selber ein Bein gestellt. Er initiierte eine Gesetzesänderung zum Wahlverfahren: Das Volk sollte darüber abstimmen, ob er als alleiniger Kandidat für die Präsidentschaft antreten oder ob andere Kandidaten zur Wahl zugelassen werden sollten. Und so kam es zum grossen Showdown - «Si» war das Bekenntnis zum Diktator Pinochet, «No» verhiess den Weg zur Demokratie.
Werbekampagne für Demokratie
Dem Volksvotum ging eine Abstimmungskampagne voraus, die nicht so sehr auf der politischen Bühne als in den Wohnstuben der Chilenen stattfand. Für die Kampagnen nämlich engagierten beide Lager die besten Werbefachleute des Landes.
Während das «Si»-Lager die Vorzüge des Diktators Pinochet mit Bildern von militärischen Aufmärschen und einer prosperierenden Wirtschaft untermalte, feierte die «No»-Kampagne die Zukunft Chiles in bunten Farben: Sie erkor den Regenbogen zum Symbol und liess die Menschen tanzend und singend die Vision einer Demokratie feiern.
Symbolfigur mit Skateboard
«No» heisst der Film von Pablo Larraín, der die Geschichte dieser Kampagne und der Menschen, die dahinter standen, erzählt. Der mexikanische Superstar Gael García Bernal («Diarios de Motocicleta», «Babel») spielt den dynamischen Werber René Saavedra, den führenden Kopf der ganzen Werbekampagne.
Im amerikanischen Exil hatte er die Mechanismen der Werbung studiert und schockierte nun in Chile sowohl das gegnerische wie auch das eigene Lager mit seinen Werbeideen und mit seinem unkonventionellen Auftreten: zur Arbeit fuhr er mit dem Skateboard.
Mit Regenbogen gegen Gewaltregime
Statt der schon bekannten Bilder von trauernden Müttern mit Fotografien ihrer verschwundenen Söhne, zeigte er in seinen TV-Spots lachende und tanzende Menschen. Statt auf den Greueltaten des Pinochet-Regimes herumzureiten feierte Saavedra die mögliche Zukunft Chiles und erkor den Regenbogen zum Symbol der «No»-Kampagne.
Pedro Larraíns Film zeigt eindrücklich, wie gute Werbung funktioniert: aus dem eigentlich negativ konnotierten «No» wird in der Kampagne ein «Ja» zum Land Chile, zur möglichen Demokratie.
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Videoästhetik statt Digitalfilm
Der Film suggeriert, dass diese Botschaft massgeblich zur Wende in der chilenischen Politik beigetragen hat. Das ist überzeugend, wenn man bedenkt, was TV-Werbung heute für einen Stellenwert hat. Wie stark sie in einem Land gewesen sein mag, in dem nur wenige staatliche Fernsehsender zu empfangen waren, zeigt «No» eindrücklich. Der Film ist inhaltlich ein beispielhaftes Lehrstück dafür, dass Politik nicht nur auf der grossen Bühne, sondern eben auch mit klassischem Marketing gemacht wird.
Mit seinem satirischen Ton, den er zuweilen anschlägt, ist der Film ein Vergnügen. Dazu kommt eine tolle Optik: er ist mit alten U-Matic-Kassetten gedreht. Die Bilder sind fast quadratisch, knallbunt und in derselben Ästhetik wie die Fernsehspots der 80er-Jahre, die als Originale im Film eingebaut sind.