Gähnende Leere im Zürcher Kino Riffraff. Und das am traditionell umsatzstarken Donnerstag. Vor der Corona-Krise waren die Vorstellungen ab 18 Uhr immer gut besucht.
Mittlerweile trauen sich nur noch ganz wenige Leute in den Zuschauersaal. Für die meisten ist es nach wie vor ein komisches Gefühl, während der Pandemie ins Kino zu gehen.
Ein Mann, der sich gerade ein Ticket gekauft hat, sagt, dass er sich spontan an der Kasse entschieden habe, in die Vorstellung zu gehen. Nur weil er der Einzige im Saal sei, würde er sich den Film jetzt ansehen.
Die Angst überwiegt
Der Einzelgänger ist einer von wenigen, die es derzeit überhaupt wagen, eine öffentliche kulturelle Veranstaltung zu besuchen.
Laut einer Umfrage von «L’Oeil du Public» hat momentan nur ein Viertel der Befragten keine Bedenken, an Kulturanlässen teilzunehmen.
Gleichzeitig geht aus der Studie hervor, dass den Schweizern während des Lockdowns gerade das Kino besonders gefehlt habe.
Euphorie und Ernüchterung
Seit vier Wochen haben 78 Prozent der Schweizer Kinos wieder geöffnet. Natürlich unter Einhaltung strenger Sicherheitsmassnahmen und Hygienevorschriften. So dürfen die Säle beispielsweise höchstens zur Hälfte gefüllt sein.
Frank Braun, einer der Betreiber der Neugass Kino AG, erzählt von der kurzen Euphorie, die nach der Öffnung der Lichtspielhäuser geherrscht habe.
Bei schlechtem Wetter sei das Publikum sofort wieder da gewesen, was ihn extrem erleichtert habe. Doch die Ernüchterung kam schnell, spätestens mit den heissen Temperaturen.
Sommerloch
Inzwischen hat sich deutlich gezeigt, dass der Zeitpunkt für die Wiedereröffnung der Kinos alles andere als ideal war. In der Sommersaison gehen ohnehin kaum Leute ins Kino.
Für die Durststrecke im Sommer brauchen die Kinos die Reserven aus den Winter- und Frühlingsmonaten. Diese fehlen jetzt zum grossen Teil wegen dem Lockdown.
Heisse Temperaturen, kombiniert mit der Angst vor Corona: Die Kinos trifft’s gerade doppelt hart. Dazu kommt noch ein weiteres Problem.
Wo sind die Blockbuster?
Dem Kino fehlen derzeit zugkräftige Titel. Um die breite Masse zurückzugewinnen, sind die Lichtspielhäuser auf potenzielle Blockbuster wie Christopher Nolans «Tenet» oder Disneys «Mulan» angewiesen.
Doch Hollywood hält seine Zugpferde zurück. Ganz einfach, weil in den USA und in China, den global umsatzstärksten Märkten, die meisten Kinos noch geschlossen sind. Die Schweiz ist für die «Big Player» schlicht irrelevant.
So kann es nicht weiter gehen
Diese Verkettung unglücklicher Umstände spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Ganze 70 Prozent weniger Umsatz verzeichnen die Kinos schweizweit seit der Wiedereröffnung im Vergleich zum Juni 2019.
«Wenn es so weiter geht wie jetzt, dann kommt irgendwann der Tag X, an dem wir den Stecker ziehen müssen», klagt Kinobetreiber Frank Braun.
Er wolle nicht schwarzmalen, doch ohne Trendumkehr seien die Aussichten düster: «Dann ist es nicht mehr möglich einen Kinobetrieb rentabel oder selbsttragend zu betreiben, egal ob gross oder klein».
Wo bleibt die finanzielle Unterstützung?
Auf die in Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung warten die Kinos seit über zwei Monaten. Der Entscheid für eine Ausfallentschädigung während der Schliessung liegt bei den Kantonen, nicht beim Bundesamt für Kultur.
René Gerber, Generalsekretär des Schweizer Kinoverbandes Procinema bedauert dies sehr: «Wir haben von Anfang an befürchtet, dass die Kantone mit den Gegebenheiten der Kinos oder mit anderen kulturellen Stätten überfordert sein werden. Das hat sich in der Regel bestätigt.»
Vermisstes Kino, vermisstes Publikum
In der leeren Kino-Bar im Züricher Riffraff macht sich Betreiber Frank Braun derweil sorgen um die Zukunft. Wurde der Zeitpunkt für die Wiedereröffnung falsch gewählt?
Er antwortet mit Zweckoptimismus: «Vielleicht wäre es ideal gewesen, wenn wir bis nach dem Hochsommer gewartet hätten. Aber je länger man wartet, umso schwieriger wird es, wieder aufzumachen. Ausserdem wussten wir, dass die Leute das Kino vermissen. Wir selbst haben das Kino vermisst.»
Braun wollte mit der Öffnung ein Zeichen setzen. Um ein fast schon verloren geglaubtes Stück Normalität zurückzugewinnen. Bleibt zu hoffen, dass Kinobesuche auch fürs Publikum bald wieder alltäglich werden.