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Playlists für Haustiere Wenn Streaming für die Katz ist

Ein lustiges Label – wir nehmen es ernst: «Petflix» nennt die seriöse englische Zeitung «The Guardian» das Angebot für Haustiere von Streaming-Giganten wie Amazon oder Spotify.

Kuratierte Playlists für Hund und Katz: Ist das jetzt tierisch toll oder nur affig? Der renommierte Katzenforscher Dennis C. Turner über das neue Muss für die Mieze, das er nicht nur mies findet.

Dennis C. Turner

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Der schweizerisch-amerikanische Biologe ist ein Pionier auf dem Gebiet der Katzenforschung. Turner war Privatdozent an der Universität Zürich und lehrte in Japan. Er ist Fan der animierten Webvideoserie «Simon's Cat».

SRF: Wir gehen mit Katzen zur Pediküre und zum Psychiater. Sind die Playlists der Streaming-Riesen die logische Folge davon, dass wir Haustiere als Mitmenschen missverstehen?

Dennis C. Turner: Einerseits. Es zeigt aber auch, dass wir unsere Haustiere lieben. Sie sind Familienmitglieder. Wir geben alles, damit es ihnen gut geht. Ob es ihnen gut tut, ist eine andere Frage.

Wann ist gut gemeint schlecht für das Haustier?

Kein Tier mag es, wenn man ihm eine Sonnenbrille oder einen lustigen Hut anzieht. Die Grenze verläuft immer dort, wo die Würde des Tieres verletzt wird. So steht es auch in der Verfassung.

Nur wenn die Katze zwei Meter vor einem Screen sitzt, sieht sie einigermassen scharf.

Verletzt es die Würde der Katze, wenn man sie mit einem Streaming-Angebot abspeist?

(lacht) Das Hauptinteresse der Anbieter ist nicht das Wohlbefinden der Tiere. Diese Firmen wollen Geld verdienen – und im besten Falle das Bedürfnis der Tierhalter befriedigen, die bereit sind, alles für ihre Tiere zu tun.

Was sehen Katzen, wenn sie auf einen Bildschirm starren?

Nur wenn die Katze zwei Meter vor einem Screen sitzt, sieht sie einigermassen scharf, was sich da abspielt. Die andere Frage ist, was sie wahrnimmt.

Nämlich?

Katzen haben nur Farbrezeptoren für blau und grün in ihren Augen, aber nicht für rot. Was rot ist, werden sie also vor allem als Grautöne wahrnehmen.

Katzen reagieren aber auch auf Töne und Bewegungen. Mit der Zeit würden sie merken, dass nicht «echt» ist, was sie auf dem Schirm haben und rasch das Interesse verlieren.

Ein Katzen-Klassiker: Mieze sitzt vor dem Fernseher und versucht vergeblich, mit der Pfote die Maus zu fangen, die auf dem Bildschirm herumflitzt. Was sagt uns das über den Blick der Katze auf die Welt?

Eine Katze kann nicht sagen, was sie auf dem Screen sieht – sie sieht nur die Bewegungen. Hat das Objekt, das sich bewegt, etwa Mausgrösse, reagiert die Katze so, wie wenn es eine echte Maus wäre. Mit der Zeit wird sie merken, dass die Maus nur zweidimensional ist und sich gelangweilt abwenden.

Die Katze wird nie kapieren, worum es in einem Film geht.

Spielfilm oder Doku: Wozu rät der Katzenkenner im Zweifelsfalle?

Ich würde Animationsfilme empfehlen. Da ist viel in Bewegung, während in Spielfilmen oft nur gequatscht wird. Noch besser ist aber ein Radiosender, der leichte Musik spielt. Vor allem, wenn eine Katze leichte Trennungsängste zeigt.

Wenn animierter Spielfilm: Lieber einer à la «Madagascar», in dem Tiere ausbüxen oder etwas aus der Ecke «Aristocats», wo Katzen wieder heim in die gute Stube finden müssen?

Weder noch. Das setzt kognitive Leistungen der Katze voraus, die wir nicht einmal höheren Primaten wie Affen zuschreiben können. Die Katze wird nie kapieren, worum es in einem Film geht.

In einem der Haustierfilme, die Amazon im Angebot hat, ist zu sehen, wie ein Eichhörnchen einen Maiskolben frisst – eine ganze halbe Stunde lang. Was spielt sich da im Kopf der Katze ab, die sich das ansieht?

Die Katze sieht die Bewegungen, wird aber das Tier nicht als Eichhörnchen erkennen. Wahrscheinlich macht es ein wenig Lärm, wenn das Eichhörnchen den Maiskolben abnagt. Es sind diese Fressgeräusche, die eine Katze bei der Stange halten.

A propos Tonspur: Haydn, Heavy Metal oder Hip Hop?

Besser Klassik als Hardrock – wobei es keine Studie gibt, die das belegt. Auch hier wird sich mit der Zeit ein Lerneffekt einstellen und die Katze ihr Interesse verlieren. Leichte Hintergrundmusik wird in den meisten Fällen beruhigend wirken – für Hunde und Katzen.

Sie ruhig zu stellen: Ist das im Sinne der Haustiere?

Wenn sie für ein paar Stunden ohne menschlichen Kontakt zu Hause bleiben, absolut. Noch besser sind natürlich Spielgefährten. Dann braucht’s keine Musik und auch kein Petflix.

Das Gespräch führte Stefan Gubser.

Sendung: Radios SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 5.2.2020, 6.15 Uhr

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