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Zwangspause wegen Corona Ungewisse Zukunft für Schweizer Filmprojekte

Gestoppte Dreharbeiten, Kurzarbeit und Arbeitslosengeld: Reaktionen von Schweizer Filmschaffenden zur aktuellen Lage.

Seit März wird wegen den Pandemie-Massnahmen nicht mehr gedreht. Regisseuren, Schauspielern, Produzenten, Kameraleuten und Tontechnikern bleibt nichts anderes übrig, als zu warten. Arbeit gibt es nicht. Das Geld wird knapp. Die Branche steht still. Als hätte jemand mitten in einem Spielfilm die Pause-Taste gedrückt.

Betroffen zum Beispiel: Die Dreharbeiten zur SRF-Serie «Wilder». Nur 35 von geplanten 60 Drehtagen konnten durchgeführt werden.

Lost in India

Auch betroffen: Regisseur Michael Steiner («Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse»). Er drehte in Indien das Drama «Und morgen seid ihr tot». Kurz vor Schluss mussten er und seine Crew abbrechen. Es fehlten nur noch 6 Tage.

Michael Steiner ist mittlerweile zurück in Zürich, in Kurzarbeit. Das gedrehte Material verarbeitet er im Schnitt. Nebenbei schreibt er an einem neuen Drehbuch.

Mann Filmset
Legende: Michael Steiner am Filmset von «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse». Keystone / ENNIO LEANZA

Er wirkt entspannt. «Es hat sich alles etwas beruhigt. Die Hektik ist weg, man hat wieder mehr Zeit füreinander», sinniert der 50-Jährige.

So gelassen ist Produzent Lukas Hobi von Zodiac Pictures nicht. Er finanziert Michael Steiners Film. Abgebrochene und verschobene Dreharbeiten verteuern jede Produktion.

«Filmproduktionen sind gegen alles versichert. Wenn sich der Schauspieler zum Beispiel ein Bein bricht oder der Regisseur verunfallt. Aber gegen eine Pandemie ist niemand versichert», erklärt Lukas Hobi.

Zwei Frauen und ein Mann
Legende: Die Dreharbeiten der SRF-Serie «Wilder» mussten wegen der aktuellen Krise unterbrochen werden. SRF / Pascal Mora

Der Bund und die Förderstellen der Kantone beteiligen sich an den Mehrkosten auf Antrag. Deshalb muss Lukas Hobi bis zum 20. Mai ein Gesuch für Ausfallentschädigung einreichen.

Er rechnet mit mehreren 100'000 Franken Mehrkosten. Diese werden zu maximal 80 Prozent gedeckt. Bund und Kanton teilen sich die Kosten zu 50 Prozent auf.

«Die Frage ist, wie viel Geld wir schlussendlich wirklich kriegen», sagt Lukas Hobi.

Jeder ist ein Einzelfall

Die Filmbranche ist komplex. Das ist das Problem. Für die zuständigen Ämter. Für die Filmschaffenden. Sie haben meistens keine langfristigen Verträge, sind an mehreren Orten angestellt, arbeiten als Selbstständige oder sind unselbstständig Erwerbende.

So auch Thomas Hrabovsky. Er ist Kamera-Assistent. Seit knapp zwei Monaten versucht er der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Unia in Uster zu erklären, warum er Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Zuerst habe die Kasse nicht verstanden, dass er nicht selbstständig, sondern unselbstständig erwerbend sei, erzählt Thomas Hrabovsky. Obwohl er alle 27 Arbeitgeberbescheinigungen der letzten zwei Jahre eingeschickt habe. Dort stehe, wie viel er wo gearbeitet habe, und auch der Abzug der Sozialversicherungsbeträge sei in den Unterlagen ersichtlich.

Überforderte Ämter

Thomas Hrabovsky ist kein Einzelfall. Das Schweizer Syndikat Film und Video (SSFV), der Berufsverband der professionellen FilmtechnikerInnen und FilmschauspielerInnen, bestätigt, dass viele Behörden nicht informiert sind, wie sie die Anträge von Filmschaffenden bearbeiten müssen.

«Das führt dazu, dass es zum Teil sieben bis acht Wochen dauert, bis die Antragsteller zu ihrem Geld kommen», sagt Nicole Barras, Geschäftsleiterin des SSFV.

Frau
Legende: Irene Loebell ist Dokumentarfilmerin und im Vorstand des ARF/FDS. Sarua Amelia Pacciarelli

Auch Irene Loebell, Vorstandsmitglied vom Verband Filmregie und Drehbuch (ARF/FDS) sieht Probleme.

«Die Schwierigkeit ist, dass der Bund die Massnahmen beschlossen hat, aber die Kantone müssen diese umsetzen. Und diese gehen unterschiedlich mit den Gesuchen um», sagt Loebell.

Und auch wenn irgendwann wieder gefilmt werden kann, heisst das nicht, dass die Probleme vorbei sind. Terminpläne der Beteiligten müssen synchronisiert, neue Drehpläne geschrieben werden. «Die Krise wird sich viel länger auf die Filmbranche auswirken», sagt Irene Loebell.

Die Zukunft bleibt ungewiss

Deshalb hofft die Branche auf eine Verlängerung der Massnahmen bis mindestens Ende September. Aber auch dank der Zusatzfinanzierungen durch die Förderstellen kommen viele Filmproduzenten die nächsten Wochen wohl über die Runden.

Aber die Zukunft bleibt ungewiss. Denn was, wenn man im Spätsommer ein neues Filmprojekt startet, eine neue Corona-Welle kommt und man abbrechen muss?

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