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A.L. Kennedy zum Brexit «Westminster scheisst in unsere Hände – und wir sollen klatschen»

Wegen des Brexit steckt Grossbritannien seit Monaten in einer Art Schockstarre. Die schottische Autorin A.L. Kennedy kritisiert scharfzüngig und scharfsinnig das britische Establishment.

Die Insel drohe durch den Brexit zu einem tristen Felsen zu werden, sagt sie. Ein Gespräch über Wut, Lügen und Grossmachtsträume.

A. L. Kennedy

Autorin

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Die schottische Autorin Alison Louise Kennedy ist eine der wichtigsten Gegenwartsautorinnen englischer Sprache. In ihren Romanen schaut sie kritisch auf die britische Gesellschaft und Politik der Gegenwart.

SRF: Grossbritannien ist im Brexit-Fieber. Wie würden Sie den Zustand des «Patienten» beschreiben?

A.L. Kennedy: Es herrscht ein grosses Unwohlsein, als ob alle die Grippe hätten. So lange dauert das nun schon mit diesem Gezerre um den Brexit. Was soll das? Es kostet Milliarden und macht alles nur schlimmer.

Ein Zustand, wie der Kater nach der Party?

So etwa. Die meisten Menschen dachten bei der Brexit-Abstimmung, es werde sowieso nie so weit kommen. Wir würden uns doch nicht selbst ein Messer in den Bauch stossen.

Nun sind wir aber an diesem Punkt – und das Blut fliesst schon.

Wer sind die Leidtragenden?

Es trifft die ganze Gesellschaft. Lügen, Manipulation und Propaganda haben zu einem stetigen Zerfall der Werte geführt.

Und wer profitiert vom Brexit?

Das politische Establishment: Die Brexiteers, die uns da hineingeritten haben. Viele haben ihr Geld schon nach Europa abgezogen.

Die Brexiteers profitieren vom schwankenden Markt.

Das derzeitige Chaos und die Unsicherheit nützen ihnen. Sie profitieren von einem schwankenden Markt.

Was ist von den Politikern zu halten, die aktuell am Ruder sind?

Sie versprechen uns, die ganze Welt werde nach dem Brexit mit uns Handelsabkommen abschliessen wollen. Dabei gibt es wenige Länder, denen Grossbritannien in seiner langen Vergangenheit nichts Schreckliches angetan hat.

Erinnern sich diese nicht an unser hässliches Gesicht von damals, dann sicher an die letzten zweieinhalb Jahre, in denen wir sagten: «Oh, wir hatten dieses Abkommen. Aber wir wollen nun nichts mehr davon wissen.» So geht ein demokratischer Staat nicht mit anderen Staaten um.

Sie sind Schottin. Ist man in Schottland besonders sensibel auf englische Grossmachtspolitik?

Eine Mehrheit der Schotten ist empört. Ihnen wurde bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit gesagt, wenn sie das Königreich verliessen, wären sie nicht mehr in der EU.

Die Schotten werden mit in den Abgrund gerissen.

Diese Rhetorik damals! «Wir lieben euch, bleibt bei uns.» Nun werden wir mit in den Abgrund gerissen.

Kommt Grossbritannien in Zukunft nicht irgendwie alleine klar?

Die Menschen bekommen andauernd zu hören: «Ihr seid einzigartig! England hat den Zweiten Weltkrieg ganz alleine gewonnen. Englische Kultur blühte seit jeher ohne Einfluss von aussen.»

Offenbar ist sich niemand bewusst, dass wir eine Insel sind.

Oder lächerliche Dinge, wie dass «Fish and Chips» eine britische Erfindung sei. Dabei ist es ein spanisch-portugiesisches Gericht, von Flüchtlingen eingeführt.

Offenbar ist sich niemand bewusst, dass wir eine Insel sind. Dass unsere Kultur überhaupt von irgendwo anders herkommen könnte.

Mit dem Brexit würde sich die Insel wohl noch mehr isolieren.

Es wird ein trister, dunstiger Felsen werden. Ich weiss nicht, ob man da überhaupt noch von einer Insel sprechen kann.

Früher sind Sie öfter als Stand-Up-Comedian aufgetreten. Verraten Sie uns einen Gag zum Brexit?

Alles ist grad sehr düster. Wir suchen ständig nach Vergleichen, Metaphern für diesen Zustand. Eine der besten ist: «Westminster scheisst in unsere Hände – und wir sollen jeden Morgen klatschen.»

Das Gespräch führte Richard Herold.

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