Seit Mittwoch ist es amtlich: Der Bunderat wird nicht mehr weiter mit der Europäischen Union über ein neues Institutionelles Rahmenabkommen verhandeln.
Was bedeutet das Aus für die Kulturszene Schweiz? Rosmarie Quadranti, Präsidentin von «+CULTURA», dem Dachverbandes der Interessenverbände der Schweizer Kulturinstitutionen, sieht schwarz.
SRF: Wie hätte sich das Rahmenabkommen auf die Kultur in der Schweiz ausgewirkt?
Rosmarie Quadranti: Nur positiv. Die Zugänge wären wieder wieder vereinfacht gewesen. Es hätte Ruhe gebracht. Jetzt haben wir die grosse Verunsicherung.
2006 bis 2013 war ja die Schweiz über das Filmförderungsabkommen «Media» mit der EU verzahnt. Seit 2013 ist das nicht mehr der Fall, weil man dieses Programm ins EU-Programm «Kreatives Europa» integriert hat. Ändert sich durch den Verhandlungsabbruch mit der EU überhaupt etwas?
Die Schweiz war nicht mehr dabei, weil es mit dem Rahmenabkommen nicht vorwärts ging. Das war der Grund. Mit dem Rahmenabkommen verband sich die Hoffnung, dass wir diesen enorm wichtigen Zugang wieder erhalten hätten.
Warum ist dieser Zugang zu den europäischen Austausch- und auch Fördergremien so wichtig?
Weil Kultur nicht an Grenzen Halt machen darf und kann. Weil Kultur Offenheit und Austausch braucht. Weil die Schweiz, gerade auch das Filmschaffen, zwar in der Schweiz sehr kreativ, aber auf mehr Publikum angewiesen ist.
Die Schweizer Filmbranche bezog bis 2013 Geld aus dem Fonds «Media» der EU. Die Schweiz bekommt dieses Geld nun nicht mehr. Umgekehrt muss die Schweiz diese Kulturprogramme nicht mehr mitfinanzieren. Sind also Gelder frei geworden, die die Schweiz im Inland für Kultur ausgeben kann?
Man kann es mindestens hoffen. Und ja: Jetzt muss halt im Inland mehr Geld gesprochen werden. Aber man darf nicht vergessen: Diese Anbindung ans Ausland ist wichtig, wenn nicht sogar überlebenswichtig. Jetzt muss sie mühsam wiederhergestellt werden.
Die Schweiz hat sich jahrelang bemüht, bei den EU Kultur-Dossiers wieder teilzunehmen. Diese Dossiers sind nun eingefroren. Haben Schweizer Künstlerinnen und Kulturinstitutionen überhaupt noch Zugang zu europäischer Förderung und europäischem Austausch?
Ja, die Gefahr ist gross, dass dieser Zugang nach wie vor verweigert wird, weil es ein gutes Druckmittel ist. Die Kultur muss jetzt alles unternehmen, dass sich das trotzdem noch ändern könnte. Ich gebe aber zu, dass ich nach dem für mich unverständlichen Abbruch dieser Verhandlungen ziemlich schwarz sehe.
Es wird Zeit verloren gehen, welche die Kultur eigentlich gar nicht hat.
Ist die kulturelle Schweiz institutionell auf der europäischen Landkarte heute überhaupt noch vorhanden?
Nein.
Was müsste aus Ihrer Sicht nun geschehen?
Ach, die Kultur muss jetzt in einer Zeit, in der sie die Kraft anderweitig gebraucht hätte, Mittel und Wege finden, wie sie wieder andocken kann. Das wird langwierig werden. Es wird Zeit verloren gehen, welche die Kultur eigentlich gar nicht hat. Und trotzdem darf man auch hier die Hoffnung natürlich nicht aufgeben.
Das Gespräch führte Raphael Zehnder.