Februar ist «Black History Month» in den USA – und 2016 dominiert die «Black Power» in diesem Monat auch auf den Showbühnen: Am 6. Februar veröffentlicht Beyoncé mit «Formation» einen neuen Song und ein Video. Die Königin des R&B beschreibt ihre Nase mit «Nüstern wie die Jackson 5», besingt den Afro ihrer Tochter und betont ihre Herkunft als stolze Lady aus dem Süden der USA. Diese Bindung an mehrere Südstaaten lädt die Wahl-Newyorkerin politisch auf: mit Bildern der Flutkatastrophe von 2005 in New Orleans.
Hurrikan Katrina war der Moment, als weisse Bürgerwehren auf Schwarze schossen, die aus den überfluteten Vierteln in die Vororte flüchten wollten. Deutlich wurde auch das Versagen von George Bush, dem man Gleichgültigkeit vorwarf. Beyoncé beherrscht es meisterlich, das Persönliche mit dem Politischen zu koppeln.
Der Tag, an dem Beyoncé schwarz wurde
Einen Tag nach der Veröffentlichung von «Formation» tritt Beyoncé im teuersten Werbefenster der Welt auf , in der Pausenshow des Super Bowl. Im Schlepptau hat sie Tänzerinnen im Look der militanten Black Panther. Mitglieder dieser revolutionären Bewegung aus den 1970er-Jahren stellten nicht nur Suppenküchen in armen Innenstädten auf, sondern patrouillierten auch mit Waffen und Sonnenbrillen.
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Jetzt fällt das weisse Amerika online in Ohnmacht. Und die – mehrheitlich weisse – Satiresendung «Saturday Night Live» macht sich wiederum wunderbar lustig über diese Panikattacken: «The day Beyoncé turned black», der Tag, an dem Beyoncé im Blick der Mehrheitsgesellschaft schwarz wurde.
«Black Lives Matter»
Schwarze Superstars sind nicht neu. Auffallend ist aber, wie viele von ihnen die Wurzeln wieder in den Vordergrund rücken, wie oft die Geschichte der Diskriminierung erinnert und die Gegenwart der rassistisch motivierten Gewalt erzählt werden. Gerade in diesem Februar, als der schwarze Trayvon Martin 21 geworden wäre – hätte ihn nicht eine Bürgerwehr vor vier Jahren in Florida erschossen.
Beim Mord an Martin kam etwas in Rollen, das noch nicht zur Ruhe gekommen ist: «Black Lives Matter» heisst die Bewegung, die sich um die Opfer von Polizeigewalt kümmert und unermüdlich auf neue Fälle hinweist. Obamas Präsidentschaft geht zu Ende, doch die Rassismusdebatte nimmt neuen Anlauf.
Auftritt in Ketten
Kaum ist die Aufregung um Beyoncé verflogen, legt Rapper Kendrick Lamar am 15. Februar nach . Bei der Grammy-Verleihung betritt er die Bühne in Ketten, mit einem blauen Auge, in einem Zug von Gefangenen. Ein Saxofon schreit in der Zelle. Die Musik setzt harte, jazzige Akzente.
Lamar spuckt die ersten Verse geradezu: «Ich bin der grösste Heuchler von 2015», aus dem Track «The Blacker the Berry» seines neuen Albums «To Pimp a Butterfly», dem wichtigsten Werk des Hip-Hop seit Jahren. Immer wieder sprechen diese Raps von Polizeigewalt, aber auch von Gewalt innerhalb der schwarzen Community.
«Sonst ist doch alles immer für uns!»
Beyoncé und Lamar sind zwei völlig unterschiedliche Künstler. Sie kommt aus dem dicken Mainstream, mit ihrem Mann, dem Rapmogul Jay Z, gilt sie als das mächtigste schwarze «Power Couple» – für manche noch vor den Obamas.
Beyoncés Super Bowl-Auftritt wurde gerahmt von Coldplay und Bruno Mars, von tonnenschwerer Harmlosigkeit also. Umso deutlicher wird in diesem Setting, was Beyoncé mit dem viel schärferen Kendrick Lamar doch vereint: Die starke Inszenierung der eigenen Geschichte und der komplexen Gegenwart.
«Saturday Night Live» hat übrigens punktgenau getroffen, was diese neue schwarze Deutlichkeit für viele so bedrohlich macht: Eine Szene zeigt ein Büro voller argloser weisser Amerikaner, die alle den neuen Beyoncé-Song im Kopfhörer haben.
Verängstigt steht ein Mann auf und sagt: «Vielleicht ist diese Musik nicht für uns gemacht!». Jetzt nimmt eine Frau die Stöpsel heraus und schreit: «Aber sonst ist doch alles immer für uns!»
Der Markt wandelt sich
Dieser Februar hat das weisse Amerika daran erinnert, dass man als schwarzer Künstler zur besten Sendezeit auf eine Art kommunzieren kann, die das weisse Publikum nicht gleich versteht. Beyoncé und Lamar können sich leisten, zumindest so zu tun, als würden sie die Mehrheit ignorieren. Natürlich tun sie das nicht, aber die Botschaft zählt.
Und die Botschaft ist angekommen. Grenzkünstler Kanye West spitzt sie in seiner Soloinszenierung als Grössenwahnsinniger nochmal zu, wenn er twittert, «weisse Medien» sollen bitte aufhören, über schwarze Musik zu schreiben.
«Black America» hat gelernt, dass Nettigkeit allein auch nicht viel bringt. Dabei hilft, dass Künstler wie Kanye, Beyoncé und Lamar viel Marktmacht vereinen. Wer nicht über Kanyes neues Album «The Life of Pablo» schreibt, schadet nicht Kanye, sondern nur sich selbst.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 16.2.2016, 16.05 Uhr.