- Der Kreml nutzt zunehmend Strömungen der Gegenwartskultur für patriotische Zwecke.
- Serien und Filme sind oberflächlich betrachtet gelungene Kunst – der Patriotismus wird subtil transportiert.
- Patriotische Videogames sollen das schlechte Image der Roten Armee – das durch westliche Games vermittelt wird – in ein anderes Licht rücken.
Als «Ingenieure der menschlichen Seele» – so sah Stalin die Sowjetliteraten. Ulrich Schmid, Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen, spricht in Anspielung darauf von «Technologien der Seele» im heutigen Russland.
Schmid untersucht in seinem gleichnamigen Buch, wie Medien und Kultur die russische Gesellschaft zu Patriotismus und Heroismus erziehen und in ihr die Sehnsucht nach imperialer Grösse wecken. Der Kreml macht konsequent nationalistische und antiwestliche Strömungen in der Gegenwartskultur aus und unterstützt sie.
Fernsehserien als Leitmedium
Putin wisse, dass sich sein autoritäres Regime nicht nur auf Repression verlassen könne, so Schmid. Er versuche deshalb, den «Krieg um die Seelen» zu gewinnen. So heisst es wörtlich auf einer Kreml-Website: «Wir brauchen patriotische Literatur, wir brauchen ein patriotisches Internet, wir brauchen patriotische Videogames.»
Russland hat sich lange als lesende Nation definiert und sich auf die Literatur konzentriert. Viele Literaten stellten und stellen sich auch heute in den Dienst der Macht – und sind von ihr fasziniert. Doch die Funktion des Buches als Leitmedium hat abgenommen, an ihre Stelle sind Fernsehserien getreten. Das haben auch die Machthaber begriffen.
Der Sohn des Vaters der Völker
Viele dieser Serien feiern Russlands imperiale Grösse und verherrlichen den Krieg; zahlreiche von ihnen haben ein historisches Thema. So etwa die Serie über die Zarin Katharina die Grosse, die als «Sammlerin russischer Erde» mit ihren Eroberungen in Südrussland und der Krim heute wieder eine wichtige Rolle spielt.
Eine andere Fernsehserie trägt den Titel: «Der Sohn des Vaters der Völker». Es ist eine Art fiktionalisierte Biographie des Sohnes von Diktator Stalin, Wassili Stalin. Dieser kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Kampfflieger. Stalin wird in dieser Serie als strenger, aber gerechter Herrscher und Vater dargestellt. Die Millionen von Toten, die er mit seinem Terror verantwortete, kommen nicht vor.
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Patriotische Videogames
Diese Filme sind – so Schmid – nicht direkte Propaganda. Sie gehen subtiler vor. Sie sind auf der Höhe der Kunst, und der Patriotismus wird unter der Oberfläche der Ereignisse transportiert.
Der Kreml hat aber auch bemerkt, dass ausländische Videogames die Rote Armee unvorteilhaft darstellen. Deshalb fördert die Regierung nun die Entwicklung patriotischer Videogames, die die Heldentaten der russischen Soldaten in ein anderes Licht rücken. So wurde das Spiel «Ilja Muromez» erfunden; der Name verweist auf ein Flugzeug im Ersten Weltkrieg. Der Spieler kann Bomben abwerfen, feindliche Artillerienester auslöschen und Luftkämpfe ausführen.
Auch die Fernsehserie über Stalins Sohn hat einen Bezug zu Computer-Games, denn sie zeigt Wassili Stalins Mut in tollkühnen Flugszenen, die klar der Ästhetik von Shooter Games nachempfunden sind.
Heldentum und Patriotismus in Reinform
Eine enge Verbindung zwischen Film und Spiel ist inzwischen üblich geworden. So zeigt der Film «Die 9. Kompanie» das Schicksal einer militärischen Einheit in Afghanistan. Damit kam zum ersten Mal ein Thema ins Kino, das für die Filmindustrie als Tabu gegolten hatte, das Trauma des Afghanistan-Krieges.
Der Film ist keine Kritik am Krieg, sondern ein heroisches Porträt der Kameradschaft der Soldaten, die schliesslich gemeinsam in den Tod gehen. Dieses Thema wurde dann von einem Videogame aufgegriffen, das unter dem Titel «Die Wahrheit über die 9. Kompanie» auf den Markt kam. Auch hier: Heldentum und Patriotismus in Reinform.