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Kirchen und die Coronakrise «Für gewisse Freikirchen ist das Internet ein Ding des Teufels»

Die Kirchen in der Schweiz haben auf die Coronakrise reagiert: Ihre Seelsorge-Hotlines sind ausgelastet wie selten zuvor, ausserdem bieten viele Kirchgemeinschaften sogenannte E-Gottesdienste an. Gewisse konservative Freikirchen dagegen tun sich mit dem Internet als Kontaktkanal schwieriger.

Ein Gespräch über Kirchen im Netz zu Coronazeiten mit Religions- und Sektenexperte Georg Otto Schmid.

Georg Otto Schmid

Religions- und Sektenexperte

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Georg Otto Schmid studierte in Zürich und Basel Theologie und Religionswissenschaft. Seit 1993 ist er Mitarbeiter der Evangelischen Informationsstelle Kirchen - Sekten -Religionen, seit 2014 deren Leiter.

SRF: Die Menschen suchen in der Coronakrise Halt. Die Kirchen haben reagiert und auf Gottesdienste im Internet umgestellt. Funktioniert das?

Georg Otto Schmid: In der Coronakrise sind jene religiösen Gemeinschaften im Vorteil, die das Internet bereits als Kontaktschiene zu ihren Mitgliedern etabliert haben. Also Gemeinschaften, in denen die Mitglieder dem Internet gegenüber positiv eingestellt sind und wissen, wie man es nutzt. Das ist in Landeskirchen sehr verbreitet.

Benachteiligt sind jene Organisationen, die dem Internet kritisch gegenüberstehen. Es gibt konservative Freikirchen, für die das Internet ein Ding des Teufels ist, die vielleicht nicht einmal eine Website haben. Diese Kirchen finden heute schlicht nicht statt.

Es wird ein Umdenken geben, sodass das Internet auch in konservativen Gruppen künftig positiver gewertet wird.

Auch ist für Freikirchler der Gottesdienst in der Regel wichtiger als bei Landeskirchen: Es ist üblich, dass man jedes Wochenende hingeht. Entsprechend ist es schwierig, wenn dies nun nicht möglich ist. Da wird es wohl ein Umdenken geben, sodass das Internet auch in konservativen Gruppen künftig positiver gewertet wird.

Es gibt aber auch jene freikirchlichen Jugend-Gottesdienste, die viel mit digitalen Mitteln arbeiten.

Das ist so. Es gibt Freikirchen, die sich als Internet-Kirchen aufgestellt haben. Diese funktionieren ausschliesslich oder vor allem im Internet. Hier ändert sich gar nichts, sie liegen im Moment sehr im Trend.

Es gibt extreme Glaubensgemeinschaften, die dieses Virus als Strafe Gottes verstehen. Kann dies für eine Gesellschaft gefährlich werden, zum Beispiel weil sich dadurch die Gräben in der Gesellschaft vertiefen?

Fundamentalistische Prediger in den USA haben verkündet, dass das Coronavirus die Strafe Gottes für Homosexualität und Abtreibung sei. Genau dasselbe wurde in den 1980er-Jahren vom HI-Virus behauptet.

Gewisse Exponenten aus der fundamentalistischen Freikirchen-Szene sagen: das Coronavirus sei eine Warnung Gottes.

In der Schweiz sind diese fundamentalistischen Kreise vorsichtiger. Schweizer Prediger sagen das nicht so. Aber es gibt Exponenten aus der fundamentalistischen Freikirchen-Szene, die sagen: das Coronavirus sei eine Warnung Gottes – eine Warnung, dass man sich bekehren solle, wie dies etwa Norbert Lieth vom Missionswerk Mitternachtsruf verkündet .

Solange die Debatte auf dieser Schiene bleibt, besteht die Gefahr von gesellschaftlichen Gräben noch nicht. Wenn aber das Coronavirus benutzt würde, um Andersdenkende abzuwerten, dann könnte es problematisch werden. Aber ich sehe im Moment noch keine Hinweise darauf.

Seelsorge-Hotlines sind heute die Kontaktmethode der Wahl für religiöse Gemeinschaften.

Wie schaffen es Glaubensgemeinschaften in einer Zeit von räumlicher Distanz dennoch, emotionale Nähe zu den Mitgliedern zu halten?

Wichtig für Glaubensgemeinschaften ist, dass sie andere Kanäle zu ihren Mitgliedern finden als den Gottesdienst. Zum Beispiel Internet-Gottesdienste und vor allem Seelsorge-Hotlines. Viele Menschen haben im Moment ein grosses Bedürfnis, sich auszutauschen oder nur jemanden zu haben, der ihnen zuhört. Seelsorge-Hotlines sind heute die Kontaktmethode der Wahl für religiöse Gemeinschaften.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Radio SRF 4 News, 27.03.2020, 7.45 Uhr ; 

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