Wie tickt die Jugend von heute? Auf diese Frage liefert die Shell-Studie zwar keine klare Antwort, aber sie bietet etwas Orientierung. Die Jugendstudie kommt im Auftrag des Energie-Unternehmens alle vier Jahre heraus. Soeben ist die 18. Ausgabe veröffentlicht worden. Rund 2500 Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren in Deutschland wurden dafür nach ihren Lebenseinstellungen, Werten, Freuden und Ängsten befragt.
Dass das Klima eine herausragende Rolle spielen würde, war abzusehen. Auf der Liste der grössten Sorgen und Ängste der Jugendlichen belegt denn auch die Umweltzerstörung den ersten Platz. Auf Platz drei ist der Klimawandel.
Dies hat sich stark verändert seit der letzten Shell-Studie 2015. Damals waren die Themen, die die Jugend besorgten ein möglicher Krieg in Europa oder die EU-Krise.
Aktives Engagement
Dass das Interesse der jungen Leute an Politik und die Bedeutung von politischem Engagement anstieg, zeigte die Studie schon vor etwa zehn Jahren.
In der aktuellen Ausgabe aber ist ersichtlich, dass sich neu vermehrt Mädchen und junge Frauen politisch interessiert und engagiert zeigen. Die Shell-Studie führt dies auf die medial weiblich geprägte «Fridays for Future»-Bewegung zurück, sozusagen auf den Greta-Effekt.
Laut und bestimmt
Oberste Priorität der Jugendlichen sind nach wie vor Beziehungen: Freunde, Partnerschaft, Familie. Dazu kommen nichtmaterielle Werte wie Selbstverwirklichung, sinnstiftende Tätigkeit, Ausgleich zwischen Beruf- und Privatleben. Auch die sind schon länger im Trend.
Verändert hat sich, dass diese Werte auch lautstark eingefordert werden. «Eine Generation meldet sich zu Wort», heisst es im Titel der Shell-Studie.
Junge suchen also nicht (mehr) Lösungen im Privaten, sondern artikulieren ihre Ansprüche und Interessen gegenüber der Politik, der Gesellschaft und den Arbeitgebern.
«Wir schaffen das?»
Ein überraschendes Ergebnis der Studie: Die Angst der jungen Leute vor Fremdenfeindlichkeit ist grösser, als die Angst vor weiterer Zuwanderung. Die meisten gesellschaftlichen Gruppen und Minderheiten würden von 80 bis 95 Prozent der Befragten akzeptiert, wenn sie in der Nachbarschaft einziehen würden.
Trotzdem hat sich beim Thema Zuwanderung die Einstellung geändert. Anders als 2015 möchte inzwischen jeder zweite deutsche Jugendliche weniger Zuwanderer aufnehmen als bisher. Vor der Flüchtlingskrise 2015 war es rund ein Drittel, das sich gegen Zuwanderung aussprach.
Blick in die Schweiz
Auch bei der Schweizer Jugend sind ähnliche Tendenzen zu erkennen. Das zeigt das Credit Suisse-Jugendbarometer 2018. «Das neuste Wahlbarometer zeigt, dass die Jungen sehr deutlich die Grünen, die Grünliberalen ins engste Set ihrer Parteien aufnehmen», sagt Lukas Golder vom gfs-Forschungsinstitut. Er war beteiligt an der CS-Studie.
«Vor vier Jahren war das Bild noch komplett anders, da war die SVP klare Nummer eins bei den jüngsten Wählerinnen und Wählern», sagt Golder. «Es ist eine internationale Welle, die weltweit Junge für politische Themen begeistert. Das manifestiert sich offensichtlich in Deutschland genauso wie in der Schweiz.»
Die Klimabewegung ist zwar länderübergreifend, aber es gibt länderspezifische Unterschiede. Etwa was Sorgen und Ängste angeht: So ist zum Beispiel die Angst vor Terrorismus in der Schweiz nicht so gross wie in Deutschland, das jüngst von Terrorimus betroffen war.