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Nina Brunner posiert mit dem als Stierkämpfer verkleideten Elias auf einem Platz in Madrid.
Legende: Ich und der Stierkämpfer: Elias posiert nicht nur für Touristen, sondern auch für Fernsehredaktorinnen. Kulturplatz

Spaniens verlorene Generation Tag 4: Stumme Zombies

Not macht erfinderisch: Ein Treffen mit einem Ex-Kranführer, der heute als Stierkämpfer für Touristen posiert. Und eine Horde stummer Zombies protestiert gegen die Kürzungen im Kulturbereich.

Wie jeden Tag kreist auch heute ein Polizeihelikopter über Madrid, um Menschenansammlungen zu überwachen. Der Platz «Puerta del Sol» ist sowas wie die Wiege der spanischen Protestbewegung «El movimiento 15-M». Hier versammelten sich die sogenannt Empörten, um gegen die Missstände im Land zu protestieren. Heute posiert hier ein stolzer Matador für die Erinnerungsfotos der Touristen.

«Die Wahrheit findet man auf der Strasse»

Ich komme mit dem Matador ins Gespräch. Er heisst Elias. Bis vor fünf Jahren hat er in der Baubranche gutes Geld als Kranführer verdient. Er hat die 50 hinter sich, das Steuern von 30-Tönnern wurde ihm zu riskant. Also meldete er sich bei einer Jobvermittlung. Nur - in fünf Jahren kam kein einziges Angebot.

Um nicht untätig zu sein, kaufte er sich eine prunkvolle echte Tracht für 2200 Euro. Wenn schon, dann richtig, dachte er sich. Wenns gut läuft, verdient er heute als Foto-Sujet in acht Stunden 20 Euro. Hier auf der Strasse finde man die Wahrheit, sagt er mir. Die Leute seien ignoranter geworden, angespannter und knausriger.

Bleiche Zombies demonstrieren

Es wird dunkel und wir erhalten einen Tipp: Vor der Oper werde gegen Kürzungen im Kulturbetrieb demonstriert. Als wir ankommen, steuern bleich geschminkte, junge Zombies auf uns zu. Den Untoten hat es die Sprache verschlagen.

Eine Lehrerin klärt auf: Kultur sei die Seele einer Gesellschaft. Nun soll auch noch am Musikunterricht gespart werden. Ich denke daran, dass sich das Schweizer Stimmvolk gerade erst für den Musikunterricht ausgesprochen hatte.

Plötzlich stehe ich mittendrin in einem Kreis von Teenagern, die laut singen, tanzen, musizieren. Schüler sollten sich nicht mit Finanzierungsfragen beschäftigen müssen, denke ich. «Art will never die!», erklärt mir ein Mädchen mit feuchten Augen.

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