Konzerte abgesagt, Museen geschlossen, die Theater leer: Viele Kunst- und Kulturschaffende verdienen wegen der Coronakrise weniger oder haben gar kein Einkommen.
Warum die Schweiz arm wäre ohne ihre Kreativen und wer jetzt noch zu wenig Geld vom Bund bekommt, erklärt Peter Kurath, der Präsident des Verbandes Kreativwirtschaft.
SRF: Bei Kreativwirtschaft denkt man an Künstlerinnen und Künstler in Ateliers. Sind die wirklich ein relevanter Wirtschaftssektor?
Peter Kurath: Die Kultur ist ein Teil der Kreativwirtschaft, und die Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wir machen immerhin vier Prozent des Bruttoinlandproduktes aus, also zwei- bis dreimal mehr als die Schweizer Landwirtschaft. Das sind rund 22 Milliarden Franken Umsatz bei etwa 580’000 Mitarbeitenden in etwa 170’000 Betrieben.
Wir geben Farbe in die Gesellschaft
Welche finanzielle Bedeutung hat die Kreativwirtschaft für die Schweiz?
Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus Geld. Es gibt Tausende andere Faktoren, und da ist die Kreativwirtschaft zentral: Wir geben Farbe in die Gesellschaft, sind kommunikativ und integrativ.
Wenn man das in Geld aufwiegen könnte, wären wir etwa so wichtig wie die Finanzwirtschaft. Wir haben im Kanton Zürich mehr Mitarbeiter als die Finanzwirtschaft.
Viele in der Kreativwirtschaft sind nicht geld-, sondern inhaltsgetrieben. Wir Schweizer neigen dazu, uns über das Geld zu definieren.
Die Kreativwirtschaft ist entscheidend für die Schweiz. Wir haben keine Ressourcen, also müssen wir uns durch Innovation positionieren. Jede Innovation hat als Basis eine Idee – da kommt die Kreativität zum Tragen.
Weshalb braucht der Kultursektor ergänzende Massnahmen in der Coronakrise?
Zahlreiche Kulturschaffende haben schon vor der Krise am Limit gelebt. Viele haben neben dem kreativen Arbeiten noch einen zweiten oder dritten Job.
Wenn das auch noch wegfällt, hat man nicht mehr viel. Ich finde es richtig und wichtig, dass man in diesen speziellen Fällen ergänzende Massnahmen ergreift.
Die Restlichen in der Kreativbranche brauchen keine ergänzenden Massnahmen?
Wir haben das wichtige Instrument der Kurzarbeit. Da hat der Bundesrat gut reagiert.
Allerdings sind in der Kreativwirtschaft ein Drittel der Angestellten weder in einer AG noch in einer GmbH engagiert. Die haben nun die Regelung der 196 Franken pro Tag. Dass das nicht reicht, ist jedem klar.
Der Bundesrat wird noch ein Brikett nachlegen müssen. Kurzarbeit und Kreditvergaben helfen aber hoffentlich den allermeisten Firmen.
Wer wird Ihrer Meinung nach noch ungenügend unterstützt?
Die Freischaffenden und die selbstständig Erwerbenden. Sie werden unzureichend versorgt. Viele von ihnen gehen unternehmerisch ein Risiko in einer Branche ein, in der es kaum Millionäre gibt.
Wenn man denjenigen nicht Sorge trägt, die dieses Risiko eingehen, werden sie sich in Zukunft fragen, ob sie es wieder eingehen sollen. Es wird unserer Kreativwirtschaft nachhaltig schaden, wenn man das Problem nicht behebt.
Das Gespräch führte Alex Kälin.