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Literatur Alles wird gut – zumindest am Anfang

Yoga, Bistro, Altbauwohnung: Georg und Isabell leben zusammen mit Baby Matto ein hippes Leben in Hamburg. Bis der Alltag einstürzt – mental und materiell. Von diesen seelischen und finanziellen Nöten einer jungen deutschen Kleinfamilie erzählt Kristine Bilkau in ihrem Roman.

Am Ende ist der Tresor die Hoffnung. Er steht im Kinderzimmer, eingemauert in der Wand. Da kann etwas drin sein, etwas, das alles noch wenden wird. Geld und Glück, das andere dort vergessen haben. Spiesser aus den Fünfzigern vielleicht oder der Kokain-Dealer, der vorher hier war. Der Tresor. Er steckt hinter der Tapete in Mattis Zimmer, im Jugendstil-Altbau einer deutschen Grossstadt. Matti wohnt hier. Matti, das Baby, und Georg und Isabell, seine Eltern. Alles wird gut. Oder nicht?

Sendehinweis

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Mehr zu den wichtigsten Büchern im Juni gibt's im «Literaturclub»: Dienstag, 23. Juni, 22:20 Uhr, SRF 1.

Alles ist gut, zu Beginn dieses Romans der deutschen Autorin Kristine Bilkau, Jahrgang 1974. Im Hier und Heute spielt die Handlung. Alle Beteiligten haben sich fein eingerichtet. Im schicken Altbauviertel in Hamburg mit dem passenden Umfeld an Waren und Menschen. Es sind die jungen Saturierten, die Bilkau schildert, eine Art juveniles Biedermeier, seiner selbst gewiss, seinen materiellen Ansprüchen zumal. Urbane Mittelklasse, Justemilieu, und alles ganz modern. Georg ist Redaktor bei einer grossen Tageszeitung, Isabell spielt Cello im Musical-Orchester der Stadt.

Geld und Psyche

Die anderen sind weit weg, sternenweit von dieser Welt der Bio-Läden, der Wohnidyllen in gefragter Lage und der durchgereichten Einzelkinder mit Luxus-Kita-Anspruch. Hier kennt man den Hutmacher und das Yoga-Studio, das Bistro und die schönen Dinge. Und alles, was den höheren Status noch fördern könnte. Das Mietshaus der Familie verschwindet bald unter einer Plastikplane. Es wird saniert. Alles wird gut. Die Glücklichen.

«Meine Hände werden nicht zittern», schreibt Isabell, die Cellistin, auf einen Zettel, abends vor der Arbeit. Ein kleines nervöses Aufmerken. Dann noch eins. Und doch bleibt das Memo ohne Wirkung. Isabells Hände werden zittern. Und als sie das immer häufiger tun, ist sie ihren Job los. Sparmassnahmen des Verlags kosten auch Georg die Stelle. Plötzlich geschieht das, und fast gleichzeitig. Etwas ist passiert und etwas beginnt: der Abstieg. Er ist das eigentliche Thema dieses erstaunlichen Romans.

Wohnen, mieten, kaufen

Buchhinweis

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Kristine Bilkau: «Die Glücklichen». Luchterhand, 2015.

Geld und Psyche, darum geht es. Basis und Überbau aus der Marx'schen Theorie sind nicht fern, wenn Bilkau die Abstürze ihres Personals zeigt. Die Basis ist futsch und im Überbau der Statussymbole beginnt die Erosion. Passgenau gelingt es, die Wechselwirkungen greifbar zu machen, die das gewohnte Leben zum Einsturz bringen. Mental und materiell. Kampflos geschieht das nicht. Jeder für sich und allein gegen alle beginnt der Kampf um den Verbleib im Milieu.

Georg will flexibel sein, versucht es mit demütigenden Bewerbungstouren durch die Provinz oder der Idee vom Selbstversorgerdasein auf dem Land. Besessen auch von endlosen Traumreisen durchs Internet, auf der Suche nach attraktivem Logis, das für ihn nicht länger in Frage kommt. Wohnen, mieten, kaufen – nichts. Auch Isabells Anstrengungen sind ohne Fortune. Sie träumt sich fest an das Kulturszenario ihres Lebens. Ohne Gewinn. Der Abstieg entfremdet, macht müde und arbeitet im Inneren.

Buddenbrocks und Hans Fallada als Vorbild

Das erfolgreiche Paar steht nun bei den Erfolglosen, bei denen, die sie sonst mit leiser Verachtung bedachten. Das ist spürbar auch in Liebesdingen, die in gleichem Mass an Wert verlieren. «Zusammen zu scheitern ist schlimmer als allein», ist das Fazit.

«Wir haben keine Zeit mehr für Fehler», sagt Kristine Bilkau über ihren Debutroman. «Die Glücklichen» hat ein grosses Thema vom Verfall der Familie, mit Vorbildern von den «Buddenbrooks» bis zu Hans Fallada.

Unplausibler Schluss

Aber es fehlt der Mut zum Unversöhnlichen, der Mut, der der Lage entspricht. Der Roman will unbedingt ein Happy End, die Läuterung seiner Figuren durch neue, andere, existenzielle Erfahrungen. Plausibel ist das nicht.

Der Tresor hinter der Tapete sagt mehr Wahrheit über dieses Buch. Seine Unzugänglichkeit trifft die Lage. Er lässt sich einfach nicht öffnen.

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