- Die meisten der 2150 Zuhörer des Eröffnungsabends der Elbphilharmonie sind sich einig: hier ist ein weltweit einmaliger Konzertsaal entstanden.
- Mit Kompositionen von der Renaissance bis ins 21. Jahrhundert lieferte Chefdirigent Thomas Hengelbrock so etwas wie eine akustische Leistungsschau des Saales ab.
- Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich von dem «fantastischen Konzertsaal» angetan.
- Auch SRF-Musikredaktor Moritz Weber findet: «Die Feuertaufe ist voll und ganz gelungen. Die Akustik im grossen Saal ist ausgezeichnet.»
Hat sich der Aufwand gelohnt, ist das alles die Hunderten von Millionen wert gewesen, waren Skandal und Streit am Ende doch nicht vergebens? Als die letzten Akkorde von Beethovens «Ode an die Freude» die Menschen in der Elbphilharmonie aus ihren Sitzen rissen, schien die Antwort deutlich.
Stürmischer Applaus von 2150 Zuhörern
Wenn der stürmische Applaus ein Massstab sein kann, dann waren sich wohl die meisten der 2150 Zuhörer am Mittwochabend einig: Ja, das war alles (fast) richtig so, auf dem Kaispeicher, in Deutschlands Hafenmetropole, ist dann doch noch ein weltweit einmaliger Konzertsaal entstanden.
Und auch die Frage, die viele in den Wochen vor der Eröffnung umtrieb – wie wird der Saal klingen, wird sich die Musik zwischen dem Beton, Glas und Holz entfalten können – hatte sich erledigt. Mehr als drei Stunden lang loteten das NDR Elbphilharmonie Orchester und die Solisten die Möglichkeiten der «Elphi» aus.
Mit Kompositionen von der Renaissance bis ins 21. Jahrhundert lieferte Chefdirigent Thomas Hengelbrock so etwas wie eine akustische Leistungsschau des Saales ab.
Gauck spricht vom «Juwel der Kulturnation Deutschland»
Wenn die NDR Elbphilharmoniker aufdrehen, dann rast der Sound der Blechbläser nur so durch den Saal, da wummern die Kontrabässe und die Geigen schrauben sich bis in die letzten Reihen hinauf, hoch oben, fast 30 Meter über dem Podium. An diese Unmittelbarkeit des Klanges wird sich das Orchester wohl noch gewöhnen müssen.
«Ich finde, lieber für Kultur viel Geld ausgeben als für reiche Leute.»
Auch die geladenen Gäste äussterten sich nach dem Eröffnungskonzert gerne. Die Popularität und die Anziehungskraft der Elbphilharmonie seien eine grosse Chance, mehr Menschen für klassische Musik zu begeistern, sagte der deutsche Bundespäsident Joachim Gauck. Er sprach von einem «Juwel der Kulturnation Deutschland».
Lob auch von Angela Merkel und Wolf Biermann
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Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich von dem «fantastischen Konzertsaal» angetan. «Eines Tages werden wir alle sehr stolz sein, dass auch zu unseren Zeiten mal etwas gebaut wurde, wo Menschen vielleicht in 50 und 100 Jahren noch sagen: Guck mal, das war damals im Jahr 2017 am 11. Januar.»
Der Schauspieler Armin Mueller-Stahl am Mittwoch bemerkte am Rande der Eröffnung: «Ich finde, lieber für Kultur viel Geld ausgeben als für reiche Leute.»
Liedermacher Wolf Biermann war vor allem von der Achitektur überwältigt: «Ich bin beeindruckt von der Architektur und höre die Musik im Moment noch mit den Augen und nicht mit den Ohren.»
Schöner Bau, bedeutet noch kein Spitzenklang
Dabei hatte es im Vorfeld erhebliche Zweifel gegeben, ob die Akustik des Saales dem Meistwerk der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron ebenbürtig sein würde. Denn ein sensationeller Bau garantiert noch nicht einen Spitzenklang.
Zu verwinkelt ist die Elbphilharmonie, als dass die Wellen pur und ungestört auch die Ohren der Zuhörer erreichen können. Diese als «Weinberg» entworfene Halle mit ihren verschobenen Ebenen, den schrägen und verwinkelten Wänden und dem Orchesterpodium in der Mitte bereitete den Akustikern Kopfzerbrechen.
10'000 Gipspanele für den perfekten Klang
Damit sich der Schall nicht ungesteuert über den Raum verteilt, setzten die Fachleute unter der Leitung des Akustikers Yasuhisa Toyoda an die 10'000 Gipspanele an die Wände, die den Klang führen und damit für ein präzises Hörerlebnis sorgen sollen.
Der Japaner, der wohl gefragteste Akustiker weltweit, hat in Hamburg einen Klangraum geschaffen, der äusserst sensibel reagiert – direkt, ohne Umschweife erreichen die Schwingungen das Ohr der Hörer.
Ein Programm wird zur Verheissung
Eigens für den Abend hatte Wolfgang Rihm vier Gedichte als Hommage an den Hamburger Lyriker Hans Henny Jahnn vertont – düstere Texte von Peter Huchel, Jahnn und Walter Muschg, die der Tenor Pavol Breslik mit dunkler Färbung vortrug.
Da erschienen das «Parsifal»-Vorspiel und zum Schluss der letzte Satz von Beethovens Neunter wie optimistische Ausblicke in die Zukunft des Glaspalastes an der Elbe. «Diesen Kuss der ganzen Welt», ruft der Chor am Ende der «Ode an die Freude». Die Botschaft klang an diesem kalten Hamburger Abend wie eine Verheissung.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 12.01.2017, 7:20 Uhr.