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Musik «Spectrum»: Das Album seines Lebens

US-Schlagzeuger Billy Cobham schrieb mit dem Album «Spectrum» vor 40 Jahren Musikgeschichte. Seine Erinnerungen überraschen.

Es gibt Alben, die ziehen eine Leuchtspur wie ein Komet. Sie tragen eine besondere Handschrift, definieren ein Genre und überdauern Modeströmungen. Billy Cobhams «Spectrum» ist ein solches Album. Die Grooves sind Meisterwerke der Reduktion, die bis heute als Samples auf Dancefloors weiterleben. Die Balladen sind zuckerfrei schön. Und selbst die Solos erzählen Geschichten. Beim Durchhören dieser Scheibe erscheint vor dem inneren Auge eine eingeschworene Band, die sich im Studio eingegraben hat, um ein musikalisches Wunderwerk zu fabrizieren. Aber es war ganz anders.

Die Recording-Session

Billy Cobham exklusiv

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srf.ch/kultur präsentiert exklusiv eine Interviewreihe mit Schlagzeuger-Legende Billy Cobham in drei Teilen.

In Teil 1 erzählt Cobham von den Aufnahmen für das Album «Spectrum».

In Teil 2 spricht er über sein Instrument.

In Teil 3 über sein Leben, seine Karriere und die Schweiz.

Cobham schrieb «Spectrum» nicht von der Muse geküsst im stillen Kämmerlein, sondern 1973 «on the road». Er war ausgebrannt nach drei intensiven Jahren mit John McLaughlins Mahavishnu Orchestra, das die Verschmelzung von Jazz und Rock mit dem Schallpegel eines startenden Jumbo-Jets vorantrieb. Cobham suchte einen Ausweg: «Ich wusste, meine Tage bei Mahavishnu Orchestra waren gezählt. Wir hatten uns auseinandergelebt. Ich brauchte eine Visitenkarte als Musiker und suchte mir dafür die passenden Sessionmusiker zusammen.»

«Spectrum» wurde im Electric Ladyland Studio in New York in nur drei Tagen aufgenommen. «Die Musiker hatten ihre Gage im Sack, bevor sie ‹Papp› sagen konnten», erinnert sich der Drummer. «Am Tag danach sass ich im Flugzeug nach England, um dort die Tracks abzumischen.» Das wars. Von der legendären Aufnahme-Session besitzt Cobham nicht einmal Fotos. Kaum zu glauben, dass dieses Album so beiläufig entstanden sein soll.

Licht und Schatten des Erfolgs

«Spectrum» schoss auf Platz eins der amerikanischen Billboard Charts und machte Billy Cobham zu einer Galionsfigur des Jazz-Rock – auf Augenhöhe mit Herbie Hancock, Chick Corea oder der Gruppe Weather Report. Hatte der Erfolg auch eine Schattenseite?

«Welche Schattenseite genau?», fragt Cobham zurück und lacht. «Drogen? Die waren damals alltäglich. Ich nahm keine und war darum oft der Aussenseiter vom Dienst. Das machte es schwer, in gewisse Projekte reinzukommen. Erfolg ist zwiespältig. Du machst ein Album, weil du als Musiker ein schärferes Profil suchst. Du hast Erfolg damit und kriegst deshalb keine Jobs mehr angeboten. Ein Paradox. Aber damit musst du leben lernen.»

Das Leben nach Spectrum

Cobhams zweites Solo-Album «Crosswinds» war ein würdiger Nachfolger von «Spectrum», aber es erwies sich als kommerzieller Flop. Cobham erinnert sich: «Nach ‹Spectrum› sagten mir die Verantwortlichen bei Atlantic Records: ‹Mach das noch einmal!› Also machte ich es noch einmal – und nichts geschah. Gar nichts. ‹Crosswinds› ist ein gutes Album, aber leider hat Erfolg wenig mit Qualität zu tun. Wenn du bei der Plattenfirma nicht genügend Steine im Brett hast, bist du weg vom Fenster. Egal wie gut dein Album ist.»

Cobham reagierte auf seine Art auf die Mechanismen des Musikgeschäfts. Er richtete seine Karriere so gut wie möglich auf Unabhängigkeit aus – und hat seither über 30 Solo-Alben veröffentlicht.

Jukebox gefüllt mit eigenen Hits

40 Jahre nach der Veröffentlichung von «Spectrum» ist Billy Cobham mit seiner Band Spectrum 40 auf Jubiläumstournee.

Kein Problem mit der Rolle als Jukebox der eigenen Hits? «Wenn das Publikum diese Musik hören will, ist das eine Ehre für mich. Das bedeutet, dass ich wenigstens etwas geleistet habe, was viele Leute mögen.» Pragmatisch. Und wahr. Wer kann von sich schon behaupten, eine Scheibe wie «Spectrum» aufgenommen zu haben.

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