Sie haben sich das Newsportal «Watson» genauer angesehen. Entspricht es den neusten Trends im Online-Journalismus?
Nick Lüthi: Es hat viele Elemente, die tatsächlich neu sind für die Schweiz. «Watson» hat sich die besten Elemente von ausländischen Portalen abgeschaut, die man in dieser Kombination auf Schweizer Newsportalen so noch nicht gesehen hat.
Was sind das für Elemente?
«Watson» ist voll auf die mobile Nutzung ausgerichtet: Die Website hat auffällig grosse Bilder und ist etwa doppelt so lange wie die der Konkurrenten. Das heisst, man kann viel weiter herunterscrollen. Das hält die Leute beim eigenen Angebot.
«Watson» ist ein reines Online-Newsportal, keine Zeitung, die online geht – das war im Vorfeld oft zu hören. Ist das für den User auf der Site spürbar?
Nein, man merkt auf der Seite nicht, dass da keine Zeitung dahinter steckt. Manche Texte könnten auch gedruckt werden. Aber «Watson» versucht die multimedialen Möglichkeiten auszureizen, die eine Zeitung nicht drucken könnte: Grafiken, animierte Bilder, Videos, was das Internet hergibt. Insofern ist es ein sehr spezifisches Angebot aus dem Netz für das Netz.
Was macht «Watson» nicht gut?
Ich habe zum Start einen Knüller vermisst. Ein Artikel, über den alle reden müssen. Vielleicht ist das aber gar nicht so schlecht. Das Augenmerk liegt nun auf dem gesamten Angebot und konzentriert sich nicht nur auf einen einzelnen Artikel. Sonst ist mir redaktionell nichts aufgefallen. Technische Fehler gehören bei einem solchen Start dazu.
Was allerdings auffällt: Es hat nicht viel Werbung. Das ist für mich als Leser angenehm, aber vermutlich hat die Vermarktung einfach noch nicht voll Fahrt aufgenommen.
Hat denn «Watson» tatsächlich Chancen gegen die beiden grössten Konkurrenten im Online-Bereich, 20min.ch und blick.ch?
Das kommt darauf an, wie sich der Markt entwickelt. Inhaltlich positioniert sich «Watson» ähnlich wie die Konkurrenz. Speziell ist, dass man vermehrt längere Texte findet auf dem Portal. Richtige Lesestücke, daneben aber auch Listen und Kurzfutter.
Ein gewichtiger Nachteil von «Watson» ist sicher, dass keine grosse Marke dahinter steht. 20min.ch erreicht alleine über die Gratiszeitung täglich mehrere Millionen Leute, bei blickamabend.ch funktioniert das gleich. «Watson» steht ganz alleine da und muss es aus eigener Kraft schaffen.
Wenn der Trend zur mobilen Internetnutzung anhält, hat «Watson» gute Chancen. Dann dürften auch die nötigen Werbegelder in diesen Bereich fliessen.