Nach der Rationierung von Benzin und einer Erhöhung der Treibstoffpreise sind am Wochenende in zahlreichen iranischen Städten Unruhen ausgebrochen. Dabei soll es mehrere Todesopfer gegeben haben.
Laut dem Iran-Kenner Udo Steinbach haben die Proteste – zumindest bisher – nicht das Potenzial, um für das Regime gefährlich zu werden.
SRF News: Warum hat die Benzinpreiserhöhung und -rationierung die iranische Bevölkerung derart aufgebracht?
Udo Steinbach: Die Iraner leben äusserst mobil und haben stets auf billiges Benzin gesetzt. Jetzt wird ihnen eine Einschränkung zugemutet, die sie nicht hinnehmen wollen. Hinzu kommt die Erfahrung aus der Vergangenheit, dass eine Erhöhung der Spritpreise stets auch andere Güter verteuert. Die Iraner befürchten, dass die Rezession nun so richtig Fuss fassen wird.
Wird die Benzinpreiserhöhung auch diesmal die allgemeine Teuerung befeuern?
Ganz gewiss, denn irgendwie muss die Regierung an Geld kommen. Nachdem der Erdölexport wegen der US-Sanktionen eingestellt werden musste, kommt kein Geld mehr ins Land. Deshalb muss sich die Regierung das Geld, welches sie für die Aufrechterhaltung der Verwaltung braucht, bei den iranischen Bürgern beschaffen.
Wegen der US-Sanktionen kommt kein Geld mehr ins Land.
Hinzu kommen die sehr kostspieligen Auslandsabenteuer der Islamischen Republik in Libanon und Irak. Deshalb ist davon auszugehen, dass es nicht allein bei einer Erhöhung der Spritpreise bleiben wird. Es droht eine regelrechte Teuerungsspirale.
Passiert in Iran jetzt das, was sich die USA mit ihren Sanktionen erhoffen: eine Destabilisierung des Regimes?
Aus Sicht der USA mag es so aussehen, doch wenn man in Iran lebt, hat man keineswegs den Eindruck, dass das Regime destabilisiert würde. Derzeit setzt es sich erst zur Wehr – und es hat noch lange nicht alle seine Optionen ausgereizt. Im Grunde ist man sich in Iran an Demonstrationen gewohnt. In den letzten Jahren ist es immer wieder zu solchen gekommen und jedes Mal hat das Regime hart zugeschlagen.
Das iranische Regime hat noch lange nicht alle Optionen gegen die Protestierenden ausgeschöpft.
Die Frage ist bloss, bis zu welchem Punkt das Regime seine Repression eskalieren lässt. Wird es bloss die Aufstände unterdrücken oder werden möglicherweise sogar die Pasdaran, die Revolutionsgarden, die Herrschaft übernehmen? Über letzteres wird seit längerem spekuliert.
Von welchem Szenario gehen Sie aus?
Wahrscheinlich handelt es sich um einen Aufstand, wie es sie in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben hat, so auch vor etwa zwei Jahren. Auch damals gab es bei den Unruhen viele Tote. Die Iraner sind sehr mit sich selbst beschäftigt, deshalb werden sie einen langen Aufstand nicht durchhalten können.
Ähnliche Aufstände hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben.
Andererseits ist nicht davon auszugehen, dass das Regime Gespräche mit den USA aufnehmen wird, um ein Ende der Sanktionen herbeizuführen. Der geistliche Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, hat dies erst gerade wieder ausgeschlossen. Wir können also nicht davon ausgehen, dass sich an der eigentlichen Wurzel der Krise – dem gestörten Verhältnis mit den USA – etwas ändert.
Die iranische Staatsführung wird also auch das Atomprogramm weiter vorantreiben?
Daran besteht praktisch kein Zweifel. Die Weichen sind in diese Richtung gestellt, nachdem man es verpasst hat, mit Washington in Gespräche zu treten. Chamenei hat alle Optionen des Dialogs zunichtegemacht, deshalb ist man jetzt auf der Schiene der Eskalation. Davon wird man nicht mehr wegkönnen, ohne das Gesicht zu verlieren – und wollen wird man das schon gar nicht angesichts des Drucks aus dem In- und Ausland.
Das Gespräch führte Simon Leu.