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Coronavirus im Weissen Haus Verwirrspiel um den amerikanischen Patienten

Momentan markiert der an Covid-19 erkrankte US-Präsident Stärke. Donald Trump feuert munter Tweets ab und sorgte am Sonntag mit einer Spritztour für Aufsehen. Gleichzeitig kamen am Wochenende Zweifel an seiner Verfassung auf. Nun heisst es, Trump könnte sogleich ins Weisse Haus zurückkehren. SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi zur widersprüchlichen Informationspolitik in Washington.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

SRF News: Was sind die neusten Informationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten?

Isabelle Jacobi: Die Ärzte, die das Sagen haben, haben sich noch nicht zu Wort gemeldet. Das wird noch erwartet. Am Sonntag hörten wir von einer aggressiven Behandlung, die normalerweise nur bei schweren Covid-Fällen angewendet wird. Das gibt Anlass zu Spekulationen. Es melden sich diverse Experten zu Wort und zweifeln an der optimistischen Botschaft des Ärzteteams und des Weissen Hauses.

Gibt es Grund an den offiziellen Angaben aus dem Weissen Haus zu zweifeln?

Spekulationen sind möglich geworden, weil die Kommunikation zu Trumps Gesundheitszustand widersprüchlich war. Sein Leibarzt verhedderte sich etwa mit Aussagen zum Zeitpunkt der Diagnose und gab am Sonntag zu, dass Trump Probleme mit der Sauerstoffversorgung hatte – das aber erst nach hartnäckigen Nachfragen von Journalisten.

Wie wird Trumps Spritzfahrt in Washington kommentiert?

Das kommt ganz darauf an, welcher Seite man zuhört oder welchen Fernsehsender man schaut. Auf Fox News freut man sich, dass es dem Präsidenten so gut geht, dass er schon raus kann. Auf CNN empört man sich, dass Trump die Isolationsregeln bricht und die Gesundheit seiner Angestellten gefährdet. Das sind ganz alternative Interpretationen, die politisch geprägt sind.

Zuerst wurde die Krankheit heruntergespielt, dann die Meldung, die Sauerstoffsättigung im Blut des Präsidenten sei gefallen. Nun kann er offenbar schon nach Hause. Steckt hinter der Kommunikation eine Strategie?

Ich denke nicht. Es sieht so aus, als ob man zunächst keinen Alarm schlagen wollte und die Wahrheit verschleiert hat. Dann platzte dem Stabschef des Weissen Hauses heraus, dass Trumps Gesundheitszustand besorgniserregend sei. Damit nahm das Debakel seinen Lauf. Natürlich kann man sich fragen, ob das Absicht war, um einen Hype zu generieren oder ob es einfach ein Patzer war.

Dass Covid-19 für einen übergewichtigen, 74-jährigen Mann gefährlich sein kann, weiss nun wirklich die ganze Welt.

Man muss in Betracht ziehen, dass im Weissen Haus seit der Diagnose grosse Aufregung und schlichtweg Angst herrscht. Denn viele Mitarbeitende haben sich auch angesteckt. Das Weisse Haus will immer noch nicht sagen, wie viele. Gerade erst wurde bekannt, dass Trumps Pressesprecherin, Kayleigh McEnany, positiv getestet wurde.

Wenn die Krankheit eines Präsidenten heruntergespielt wird, stecken manchmal sicherheitsbezogene Überlegungen dahinter. Kann man das in diesem Fall auch sagen?

Vielleicht. Man will in solchen Fällen nicht den Eindruck erwecken, dass die USA ein Führungsvakuum erleben. Das heisst aber nicht, dass sich der Vizepräsident nicht auf eine Amtsübernahme vorbereiten würde. Das tut er wahrscheinlich hinter den Kulissen. Aber eben: Das Weisse Haus und die Ärzte wurden beim Runterspielen erwischt und nun schiessen die Spekulationen ins Kraut.

Der Sicherheitsberater des Präsidenten musste vor die Medien treten und erklären, dass die Befehlskette noch funktioniert. Man hätte sich wohl besser von Anfang an auf Transparenz konzentriert. Dass Covid-19 für einen übergewichtigen, 74-jährigen Mann gefährlich sein kann, weiss nun wirklich die ganze Welt.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit vom 05.10.2020, 18 Uhr ; 

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