Das Wichtigste in Kürze
- Der britische Finanzminister Philip Hammond will laut eigenen Aussagen die Staatsausgaben trotz positiver Signale nicht nach oben treiben.
- Hammond möchte «Reserven im Tank» haben, um die Kosten des Brexit zu schultern.
- Für SRF-Korrespondent Martin Alioth gehen Hammonds Pläne viel zu wenig weit: Zu hoch sei immer noch das Budgetdefizit und zu optimistisch die Erwartungen für die Zukunft.
SRF News: Schatzkanzler Hammond präsentiert heute seinen Haushaltsplan. Worauf darf man gespannt sein?
Martin Alioth: Angesichts erwarteter Zusatzkosten des Brexit hat Hammond schon im Vorfeld seiner Budgetpräsentation angekündigt, bei den Ausgaben auf der Bremse stehen zu wollen. Das heisst aber keineswegs, dass der britische Staat deshalb schon im nächsten Jahr schwarze Zahlen schreiben würde. Die Verschuldung nimmt weiter zu, höchstens vielleicht etwas weniger schnell als bisher. Tatsache ist: Der britische Staat ist nach wie vor hoch defizitär.
Trotz Brexit-Entscheid steht die britische Wirtschaft immer noch recht robust da. Was erwartet die Briten in Zukunft?
Es sieht eher düster aus, wenn man die jetzige Entwicklung in die Zukunft projiziert. So steigt die Inflationsrate in Grossbritannien, weil das britische Pfund seit dem letzten Juni mehr als 15 Prozent an Wert gegenüber Euro und Dollar verloren hat. Das verteuert die Importgüter, die Geldentwertung schreitet voran. Derweil stagnieren die Einkommen.
Es brauen sich dunkle Gewitterwolken über den Privathaushalten zusammen.
Hinzu kommt, dass die Ausgaben für den Konsum, der die britische Wirtschaft bislang in erstaunlich guter Verfassung gehalten hat, vor allem auf Pump erfolgt ist: Kreditkartenschulden, private Darlehen und Ratenkäufe stehen auf dem höchsten Stand aller Zeiten. Grund dafür sind die tiefen Zinsen, welche für das geliehene Geld bezahlt werden müssen. Doch das kann nicht unendlich lange gut gehen. Es brauen sich dunkle Gewitterwolken über den Privathaushalten zusammen.
Zahlreiche Unternehmen erwägen, wegen dem Austritt aus der EU Arbeitsplätze in Grossbritannien abzubauen und sie ins Ausland zu verlagern. Muss das dem Schatzkanzler nicht zu denken geben?
Eigentlich müsste es das. Allerdings wagt man fast nicht, diese Gedanken laut zu äussern. Schliesslich ist Ex-Premier David Cameron mit seiner Angstmache im Brexit-Abstimmungskampf kläglich gescheitert. Ausserdem ist das damals gezeichnete Angst-Szenario bislang nicht eingetreten. Sicher aber ist, dass Branchen wie die Automobilindustrie, die Luftfahrt oder der Finanzplatz London vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt abhängig sind. Tatsächlich überlegen sich manche Banken, hunderte oder gar tausende Arbeitsplätze in die EU zu verlegen. Das würde zu Steuerausfällen führen, auch die künftige Wirtschaftsleistung würde beeinträchtigt. Damit muss auch Schatzkanzler Hammond rechnen.
Müsste Hammond angesichts dieser Ausgangslage nicht noch rigoroser budgetieren als er dies angekündigt hat?
Tatsächlich müsste er viel energischere Schritte machen, um wenigstens den jetzigen Haushalt auszugleichen. Derzeit muss Hammond allein für den Schuldendienst pro Jahr umgerechnet rund 65 Milliarden Franken aufwenden. Wenn man sich vorstellt, was er mit diesem Geld machen könnte, dann liegt auf der Hand, dass ein Abbau der Staatsschulden höchst dringlich wäre.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.