Ein hochrangiger Palästinenservertreter und früherer Vizeminister ist bei Zusammenstössen mit israelischen Soldaten ums Leben gekommen. Siad Abu Ain nahm nördlich von Ramallah an einem Protestmarsch teil, als er von Soldaten bedrängt wurde.
Die rund 100 palästinensischen und ausländischen Aktivisten wollten auf einem Gelände in Turmusajja, einer palästinensischen Kleinstadt, die von israelischen Siedlungen und deren Aussenposten umgeben ist, als Zeichen des Protests Olivenbäume pflanzen. Das Gebiet wird von den Siedlern des Aussenpostens Adei Ad beansprucht.
Nach Angaben eines Fotografen der Nachrichtenagentur AFP, der Augenzeuge der Geschehnisse war, stoppten rund 15 israelische Militärs die Demonstration unter Einsatz von Tränengas. Etwa fünf Minuten lang habe es dann ein Wortgefecht zwischen Abu Ain und Soldaten gegeben.
Heftige Schläge auf die Brust
Dabei wurde er von den Soldaten geschubst und gewürgt, wie AFP-Fotos belegen. Danach brach der 55-jährige zusammen. Eine Sanitäterin der israelischen Armee leistete ihm Hilfe, bis ein Rettungswagen des Roten Halbmonds Abu Ain in das Spital brachte, wo sein Tod festgestellt wurde.
«Todesursache waren heftige Schläge auf die Brust», sagte der Direktor des Spitals. Widersprüchliche Angaben gab es zur Frage, ob der Verstorbene grössere Mengen Tränengas inhalierte, bevor es zu dem Gerangel kam.
Die Sprecherin der israelischen Menschenrechtsorganisation Jesch Din, Reut Mor, betonte, der Protest der Palästinenser sei friedlich verlaufen. Israelische Soldaten hätten die Demonstranten aufgehalten, sagte Mor. «Sie haben sofort Tränengas und Blendgranaten eingesetzt.»
SRF-Auslandredaktorin Iren Meier sagt dazu:«Die Ärzte sagen, Abu Ain sei an einem Herzversagen gestorben. Nun wird eine Autopsie durchgeführt, die klaren soll, ob Gewalt seitens israelischer Soldaten zum Tod geführt hat.»
Abbas verordnet dreitägige Staatstrauer
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte den Vorfall als «brutalen Angriff» und «barbarische Tat» und rief eine dreitägige Trauer in den Palästinensergebieten aus. Abas erwäge die Suspendierung des Sicherheitsabkommens mit Israel, sagt Meier. «Dieses Sicherheitsabkommen hat eine grosse Bedeutung.»
Eine Armeesprecherin in Tel Aviv sagte, die Einzelheiten würden geprüft. Die israelische Zeitung «Haaretz» berichtete unter Berufung auf die Familie des Ministers, er habe an Bluthochdruck und Diabetes gelitten.
Angst vor einer Welle von Anschlägen
Beobachter befürchten, der Vorfall könnte die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern erneut anheizen. Nach einem Streit um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem, Unruhen und einer Welle von Anschlägen hatte sich die Lage zuletzt wieder etwas beruhigt.
In Ramallah schlossen Händler ihre Geschäfte aus Protest gegen den Tod des Ministers. Jugendliche warfen nach Angaben palästinensischer Sicherheitskräfte Steine auf israelische Soldaten, die eine jüdische Siedlung bei Ramallah bewachten.
Abu Ain leitete die palästinensische Beobachtungsstelle für israelische Siedleraktivitäten und war Mitglied im Revolutionsrat von Abbas' Fatah-Partei. Er war 1982 wegen eines Bombenanschlags in der israelischen Stadt Tiberias, bei der zwei Menschen getötet wurden, zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Drei Jahre später kam er jedoch im Rahmen eines Häftlingsaustauschs wieder frei.
Heftige Reaktionen
Der Tod von Abu Ain werde zweifellos die Unruhen in Ostjerusalem und im Westjordenland anheizen. «Seit Wochen kommt es zu Ausschreitungen zwischen palästinensischen Jugendlichen und der Polizei.» Dass dies weitergehe, sei vorprogrammiert, sagt Auslandredaktorin Meier: «Es geht um ein Mitglied der Regierung und um ein hohes Fatah-Mitglied. Die Reaktionen in Ramallah sind sehr heftig.»