SRF News Online: Der neue iranische Präsident Hassan Rohani sendete im Vorfeld der jüngsten Atomverhandlungen versöhnliche Signale aus. Was kann nun in Genf realistischerweise erwartet werden?
Fredy Gsteiger: Realistisch ist, dass die Verhandlungspartner nach den ersten politischen und eher unverbindlichen Begegnungen in New York in Genf nun auf die Substanz des Themas zu sprechen kommen. Das heisst zum einen auf den Verzicht Irans, nach Atombomben zu streben, und zum andern auf dessen Forderung nach Abbau der Sanktionen. Diese konkreten, aber auch schwierigen Punkte müssen auf den Tisch kommen. Nach den zwei Verhandlungstagen ist aber dazu kein Abkommen zu erwarten. Doch die Gespräche sollten soweit kommen, dass sich zumindest für einzelne Punkte Kompromisse abzeichnen und beide Seiten darüber weiterdiskutieren wollen.
Wo liegen die Knackpunkte dieser Verhandlungen?
Da ist einmal die iranische Haltung, vor irgendwelchen Zugeständnissen beim Atomprogramm müsse der Westen seine Sanktionen lockern oder gar aufheben. Das ist für die Uno-Vetomächte und Deutschland natürlich inakzeptabel. Dem stehen als zweiter Knackpunkt die sehr weitgehenden Forderungen vor allem der USA zur Urananreicherung gegenüber und dass der Iran absolut glaubhaft belegen soll, nicht nach Atombomben zu streben. Auch hier wird es Kompromisse brauchen. Es wird in Genf deshalb darum gehen, in einzelnen Punkten eine Annäherung zu finden.
Wie könnte das konkret aussehen?
Bei der Urananreicherung könnte die Annäherung darin bestehen, dass der Iran nur noch bis zu einer niedrigen Schwelle anreichen darf. Also soweit, wie das für den Betrieb von Atomkraftwerken nötig ist, und nicht für die Gewinnung von Uran für Bomben.
Wie geht es nach diesen ersten Gesprächen dann weiter?
Das steht noch nicht fest und wird erst am Dienstagabend bekannt. Der günstigste Fall wäre, dass bis dann eine Roadmap vorliegt, wie sie die iranische Seite ins Spiel gebracht hat. Das heisst, über das Ziel und den einzuschlagenden Weg dorthin gebe es schon Einigkeit.
Sicher ist, dass es weitere Verhandlungen braucht. Diese sollten möglichst rasch anschliessen, und sie müssen auch Nuklearexperten einbinden. Es wird wohl mehrere solche technischen Verhandlungsrunden brauchen, bis die Gespräche dann wieder auf die politische Ebene kommen können. Im besten Fall könnte in einigen Monaten ein Abkommen unterschriftsreif sein.
Rohani ist ja im eigenen Land nicht unumstritten und eckt mit seiner Politik auch an. Wie gross ist die Gefahr, dass er im Iran keinen Rückhalt findet für seine Zugeständnisse?
Gsteiger: Diese Gefahr ist grundsätzlich sehr gross. Es gibt Hardliner im Iran, die keinerlei Abstriche am Atomprogramm machen wollen, die keine Versöhnung mit den USA anstreben. Diesen Leuten schaden die Sanktionen auch nicht, weil sie an Schlüsselstellen in der Regierung die Umgehung der Sanktionen beeinflussen können.
Derzeit scheint Rohani aber beim obersten geistigen Führer Ali Chamenei einen gewissen Rückhalt zu haben. Chamenei ist ja der Chef über das Atomprogramm und entscheidet letztlich über den aussenpolitischen Kurs des Landes. Seine Unterstützung für Rohani ist aber nicht unbegrenzt, vor allem auch zeitlich nicht.
Der neue Präsident steht in den Verhandlungen also unter Zeitdruck.
Gsteiger: Ja, Rohani muss relativ rasch erste Erfolge vorweisen. Er muss Chamenei und dem iranischen Volk bald zeigen können, dass es dank seiner Verhandlungen Lockerungen bei den Sanktionen und damit im Land spürbare Verbesserungen gibt. Gelingt ihm dies nicht, so werden die Hardliner wohl schnell wieder Oberwasser erhalten. Sie sähen sich dann darin bestätigt, dass die Verhandlungen nichts bringen, und würden für Iran wieder einen unversöhnlichen Kurs fordern. Aus dem politischen Tauwetter dürfte in diesem Fall schnell wieder eine Eiszeit werden.
Das Interview führte Christoph Stricker.