Zum Inhalt springen
.
Legende: Noch während der Wahl gab es vor dem Parlament Demonstrationen gegen Rajoy. Die Front der Ablehnung – riesig. Keystone

International Der machtlose Sieger

Nach zehn Monaten mit einer Übergangsregierung hat Spanien wieder einen gewählten Ministerpräsidenten. Das Parlament hat den Konservativen Mariano Rajoy im Amt bestätigt. Rajoy führt eine Minderheitsregierung an und steht vor einer schwierigen Amtszeit.

Die Konservative Volkspartei PP hat ihren Sieger und feiert ihren Sieger. Er hat alles richtig eingeschätzt, hat gut taktiert und liess in den letzten zehn Monaten alle andern ins Abseits laufen. Rajoy wartet ab, er sitzt aus, das war schon immer so. Das war immer seine Stärke. So hat er alle abgeschüttelt und bleibt nun in der Moncloa, dem Madrider Regierungsitz.

Aber zum Feiern hat Rajoy keinen Grund. Zum absoluten Mehr fehlen ihm fast 40 Stimmen. Aussitzen hilft nicht, es werden nicht mehr. Rajoy muss sich mit einer Parlamentsmehrheit rumschlagen, die gegen ihn ist. Gewählt wurde er nur, weil sich die Sozialisten der Stimme enthielten.

Und die werden nun ihren Preis einfordern. Sie werden beweisen wollen, dass sie mit den Konservativen nicht gemeinsame Sache machen, sondern Opposition sind und nur um der Stabilität willen Rajoy tolerieren. Die Alternative wären Neuwahlen gewesen, die dritten innert Jahresfrist.

Jeder gegen Jeden

Die Sozialisten selbst sind tief gespalten. Viele wollten Rajoy verhindern. 17 blieben bei ihrem Nein und widersetzten sich dem Diktat der Parteileitung. Das kann zu einem Richtungsstreit werden, der die Partei lange absorbiert. Im Parlament werden die Sozialisten von links bedrängt.

Podemos, die junge linke Protestpartei, wird versuchen, Wortführerin der Opposition zu sein. Und sie hat bei der Debatte diese Woche gezeigt, dass man sich ihren Auftritt radikal und lärmig vorstellen muss. Da ist vorerst keine Grundlage für konsensorientiertes Regieren in Sicht.

Auch die liberalen Ciudadanos sind um Abgrenzung bemüht, wenn sie eine kleine Chance haben wollen, politisch zu überleben. Jeder gegen jeden, dürfte die Losung sein im spanischen Parlament.

Rajoy muss künftig nachgeben

Auf die konservative Regierung warten schwierige Aufgaben. Zuerst wird sie ein Budget vorlegen müssen. Und die EU verlangt Einsparungen von 5,5 Milliarden Euro. Die Wirtschaft wächst zwar, aber die Schulden sind immer noch enorm hoch: hundert Prozent der Wirtschaftsleistung Spaniens. Die Löhne sind tief, neue Stellen meist prekär. Und der Druck der katalanischen Separatisten hält an. Das kompliziert die Verhandlungen.

Von Podemos kann Rajoy gar nichts erwarten. Und die Schwäche der Sozialisten ist für ihn eher eine Gefahr. Kompromissbereitschaft ist so weniger zu haben. Ohne Sozialisten aber kann Rajoy nicht regieren. Er muss sich also in einer Disziplin bewähren, die er nicht kennt: Verhandeln, nachgeben, auf andere zugehen.

Er muss die waidwunden Sozialisten stärken – ohne die konservative Wählerschaft, vor allem den ganz rechten Flügel, zu verprellen. All das ergibt eine Gleichung mit sehr vielen Unbekannten. Rajoy sieht diese Risiken. Naiv ist er nicht. Ob er aber erkennt, dass es zuerst von ihm selbst abhängt, ob er regierungsfähig ist und bleibt, ist offen.

Meistgelesene Artikel