SRF News: Am Wochenende hat die griechische Regierung unter der Führung der linksradikalen Partei Syriza weiter mit den internationalen Geldgebern verhandelt. Wie will Griechenland den Schuldenstreit lösen?
Corinna Jessen: Bisher hat man lediglich eine Bestandsaufnahme der Punkte gemacht, in denen man sich einigen könnte und in denen man noch weit von einer Einigung entfernt ist – und das sind die meisten. Die griechische Regierung möchte das Kreditprogramm nicht weiterführen, sondern erstmal eine Verschnaufpause bekommen. Das ist für sie innenpolitisch überlebenswichtig.
Die Kreditgeber wollen aber endlich konkrete Finanzierungsvorschläge hören. Hier will Athen aber erstmal nur Forderungen durchsetzen, allen voran 2015 nicht mehr drei sondern nur noch 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts als sogenannten Primärüberschuss vor Zinsen erwirtschaften zu müssen. Das würde ungefähr 2,5 Milliarden Euro freisetzen, mit denen einige kleine Erleichterungen für die Ärmsten geschaffen werden könnten. Auch das möchte Athen in dem Brückenprogramm verankern. Nicht verhandeln will Athen beispielsweise über eine dringend nötige Rentenreform. Dafür will sich die Regierung undogmatisch zeigen, was geplante Privatisierungen angeht und zumindest in private Beteiligungen einwilligen.
Die Uhr tickt, Ende Monat schliesst sich der Rettungsschirm. Erwartet man in Griechenland schon heute eine Lösung?
Nein. Man geht davon aus, dass die heutigen Verhandlungen sehr hart und sehr schwierig werden, aber noch kein abschliessendes Ergebnis bringen. Gerüchte über eine weitere Sitzung der Eurogruppe am Donnerstag und über einen Sondergipfel am Freitag machen hier die Runde.
Wie bewerten die griechischen Medien den bevorstehenden Tag?
Die Verhandlungen sind das allgegenwärtige Thema. Die Zeitungen sind voll von möglichen Szenarien. Die Gespräche von heute werden als äusserst entscheidend und unter der drohenden Liquiditätsklemme der Banken teilweise sogar als schicksalshaft dargestellt.
Dennoch sind die meisten Veröffentlichungen von einem Optimismus geprägt: Am Ende, wann auch immer das ist, werde sich doch noch eine Lösung finden. Je nach politischer Richtung des Mediums werden die dazu nötigen griechischen Kompromisse gross oder klein geredet. Das Griechenland mehr oder weniger alleine gegen den Rest der Eurogruppe ankämpft, wird den Lesern nicht verschwiegen.
Trotz aller Hoffnungen geht die Angst vor einem Zahlungsausfall um.
Rund 15‘000 Menschen gingen am Sonntag in Athen auf die Strasse, um ihrer Regierung den Rücken zu stärken. Steht die Bevölkerung wirklich so deutlich hinter der Regierung?
Es herrscht eine Art Burgfrieden. Die Verhandlungen gelten als nationale Angelegenheit, in der man zusammenhalten muss. Eine jüngste Umfrage zeigt, dass über 60 Prozent der Griechen mit der Verhandlungsposition der Griechen tatsächlich auch übereinstimmen. Die sehr friedlichen Demonstranten bewegt die Hoffnung darauf, dass diese Regierung nun endlich mal anders ist als alle vorhergehenden.
Wenn bis Ende Monat keine Einigung erzielt wird, könnte das Land zahlungsunfähig werden. Was dann?
Das ist die grosse Angst. Wenn Griechenland in keinem Hilfsprogramm mehr ist, bekommt es von der Europäischen Zentralbank weder Liquiditätshilfen noch Gelder aus einem Fonds zur Unterstützung der Banken. Die Angst davor geht trotz aller Hoffnungen auch in der Bevölkerung um. An den Bankschaltern hat es zwar keine Panik gegeben. Die Griechen haben zu Hause aber dennoch ein paar 1000 Euro hinterlegt, für den Fall eines Zahlungsausfalls.
In diesem Fall wäre Griechenland ganz auf sich gestellt. Es käme zum ungeordneten Zahlungsausfall, was zwangsläufig einen Austritt aus dem Euro nach sich ziehen würde.
Das Gespräch führte Barbara Peter.