Die sechseinhalb Millionen Stimmberechtigten Haitis wählen am heutigen Sonntag sämtliche Abgeordnete und zwei Drittel der Senatsmitglieder neu. Um die 139 Parlamentsposten bewerben sich 128 registrierte Parteien und insgesamt mehr als 1800 Kandidaten. Die Wahllokale schliessen um 22 Uhr (MESZ).
Im bitterarmen Land, in dem die Politik wegen Vetternwirtschaft und Korruption arg in Verruf geraten ist, wird eine niedrige Wahlbeteiligung von gerade mal 15 bis 20 Prozent erwartet. Bei den vorangegangenen Wahlen 2011 waren weniger als ein Viertel der Wähler an die Urnen gegangen.
Blutiger Wahlkampf
Der monatelange Wahlkampf war von Gewalt überschattet worden. Das Nationale Netzwerk für die Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) sprach von einem «Klima des Terrors» und listete in einem Bericht die schlimmsten Vorfälle auf. Darunter waren unter anderem neun bewaffnete Zusammenstösse, fünf Morde, zwei versuchte Morde sowie diverse schwere Prügeleien.
Die lang erwarteten Wahlen sind ein bedeutender Meilenstein für die Demokratie in Haiti.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon richtete im Vorfeld einen Appell zu gewaltfreien Wahlen an die politischen Parteien, Kandidaten und ihre Unterstützer. Diese seien aufgerufen, jeglichen Streit durch «Dialog und bekannte gesetzliche Verfahren» beizulegen. Die lang erwarteten Wahlen seien ein «bedeutender Meilenstein für die Demokratie in Haiti», fügte Ban hinzu.
Kritik der kleineren Parteien
In den Wahllokalen sind Beobachter der Organisation für Amerikanische Staaten (OAS) und der Europäischen Union im Einsatz. Kleinere Parteien kritisierten, dass ihre Vertreter als Beobachter in den Wahllokalen stark unterrepräsentiert seien. Dadurch bestehe die Gefahr, dass grössere Parteien den Wahlprozess beherrschten. Zu den dominierenden Parteien zählen die PHTK (Parti haïtien tet kale) des seit 2011 regierenden Staatschefs Michel Martelly und die Partei Vérité (Wahrheit), die dem ehemaligen Präsidenten René Préval nahesteht.
Die zweite Runde der Parlamentswahl soll Ende Oktober stattfinden, zeitgleich mit der Wahl eines neuen Präsidenten. Ob es tatsächlich dazu kommt, steht allerdings in den Sternen.