SRF News: Grossbritannien hat seit sechs Jahren ein Lohngleichheitsgesetz – hat es etwas gebracht?
Martin Alioth: Ich glaube schon. Das Bemerkenswerte ist wohl, wie konsistent und hartnäckig Labour- und Tori-Regierungen in den letzten Jahren das Problem angehen. Das von Ihnen erwähnte Gesetz von 2010 war ein umfassendes Gleichheitsgesetz. Neben dem Geschlecht als Diskriminierungsgrundsatz, regelt es auch Hautfarbe, Behinderung, Sexualität und so weiter. Aber inzwischen gibt es zwei weitere legislative Vorstösse. Das Ziel der jetzigen konservativen Regierung ist es, die «pay-gap», eben die Lohndifferenzen zwischen Männer und Frauen in einer Generation zu eliminieren.
Wie steht es denn grundsätzlich mit Lohngleichheit in Grossbritannien – wo steht das Land im europäischen Vergleich?
Es wird besser. Der Lohnunterschied stand noch zu Beginn dieses Jahrzehnts bei fast 30 Prozent. Er ist inzwischen auf unter 20 Prozent gefallen. Das Erstaunliche ist, dass Grossbritannien damit immer noch über dem europäischen Durchschnitt liegt. Auffällig ist auch, wie gross die regionalen Differenzen sind. In London ist die «pay gap» wesentlich höher. Sie liegt zwischen 23 und 25 Prozent.
Interessant, dass die Unterschiede in London grösser sind als auf dem Land. Wieso ist das so?
Ich kann nur spekulieren. Ich habe keine stichhaltigen Angaben dazu gefunden. Ich denke, das liegt am Finanzplatz London und zwar namentlich an den überrissenen Boni, die mehrheitlich an Männer gehen.
Was regelt das Lohngleichheitsgesetz in Grossbritannien genau?
Es sind zwei Stufen: Seit 2014 gilt, dass eine Firma die von einem Schiedsgericht bei einem Verstoss gegen die Lohngleichheit ertappt wurde, eine umfassende Analyse ihrer Lohnstruktur publizieren muss. Ab nächstem Jahr wird das für Firmen mit über 250 Mitarbeitern zur Norm – sie müssen ihre Lohnstruktur also auch ohne Verstoss publizieren.