Eigentlich sollte bei dieser Wahl in Kenia alles anderes ablaufen. Friedlich, geordnet, frei von Manipulationen. Denn die Wahlen von 2007 haben das ostafrikanische, als Vorzeigedemokratie geltende Land in ein Chaos gestürzt. Die Ergebnisse wurden fingiert. Das löste in der ethnisch gespalteten Gesellschaft Wut und Frustrationen aus. Bei anschliessenden Zusammenstössen wurden über 1000 Menschen getötet.
Die Gewaltexzesse haben Kenia schockiert. Sie dürfen sich nicht wiederholen. In diesem Punkt scheinen sich alle Seiten einig. Deswegen sollten die Bürger via Fingerabdruck wählen und die Stimmen elektronisch ausgezählt werden. Und alle politischen Lager beschwichtigten die Gemüter der Menschen.
Doch das elektronische System brach kurz vor der Wahl zusammen. Patrik Wülser, SRF-Afrikakorrespondent, sagt: «Das verbreitert die Angriffsfläche für Manipulationsvorwürfe.» Diese Angriffsfläche hat Raila Odinga bereits anvisiert. Der Ministerpräsident liegt nach bisher ausgezählten Stimmen sehr knapp hinter Vize-Premier Uhuru Kenyatta.
Keine Beweise, nur Hinweise
Aus der Partei Odingas heisst es: Es gebe Beweise für Betrügereien. Wülser sagt aber: «Es gibt bisher keine harten Beweise.» Lediglich Hinweise darauf, dass in einzelnen Wahlbezirken «mehr Stimmen abgegeben wurden, als Wähler registriert worden seien». Auch seien Urnen hinzugekommen. Das sei laut Wülser verständlich, weil nun alle Stimmen manuell ausgezählt werden müssen.
Die Bürger haben bis auf lokaler Ebene gewählt. Mit unterschiedlichen Wahlzetteln und Farben. «Das hat die Menschen offenbar überfordert», sagt Wülser. Wahlzettel landeten in falschen Boxen. Rund 400‘000 Stimmzettel wurden zunächst für ungültig erklärt. Dann schrumpfte diese Zahl auf 38‘000.
Das treibt die Unsicherheit in der Bevölkerung an. Zwar rief Odinga zur Ruhe auf. Doch in den Slums nimmt die Unruhe zu. «Millionen von arbeitslosen jungen Männern haben den ganzen Tag nichts zu tun. Sie überlegen sich: ‹Stimmen die Manipulationsvorwürfe?›», sagt Wülser.
Alles oder nichts
Wahlen in Kenia laufen vor einem ethnischen Hintergrund ab. Wem geben die Menschen ihre Stimme? Das liegt oft daran, welcher Ethnie der Kandidat und die Wähler angehören. Es steht viel auf dem Spiel. Korrespondent Wülser sagt: «Es geht um alles oder nichts».
Der Verlierer geht mit leeren Händen nach Hause. Das kann zu Frustrationen führen. Besonders wenn der Verlierer nur sehr knapp unterliegt. Erreicht aber keiner der beiden Kandidaten das absolute Mehr, kommt es zu Stichwahl. So oder so, dass Resultat dürfte hauchdünn ausfallen.
Deswegen laste auf Odinga eine grosse Verantwortung, sagt Wülser. Die Frage ist: Wie verhält er sich bei einer Niederlage? Anerkennt er sein mögliches Scheitern, wäre das zentral für den Frieden im Land. Oder lehnt er die Resultate als Manipulation ab? Odinga befindet sich derzeit auf diesem Weg. Doch er könnte in einer Sackgasse der Gewalt enden.