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Ja zum UNO-Flüchtlingspakt 181 zu 2 Stimmen – doch Flüchtlinge bleiben Reizthema

181 zu 2 Stimmen: Die Zustimmung zum UNO-Flüchtlingspakt fällt weitaus deutlicher aus als vor einer Woche jene zum UNO-Migrationspakt. Bemerkenswert und für viele irritierend ist hingegen, dass – neben Ungarn – die USA den Flüchtlingspakt ablehnen. Und auch in manchen Ländern, die jetzt zustimmten, gab es vorab heftige Diskussionen.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen gibt es sowohl eine umfassende Vereinbarung für Flüchtlinge – also jene, die einen Rechtsanspruch auf Asyl haben – als auch eine für Migranten – also jene, die keinen solchen Rechtsanspruch haben. Während der Migrationspakt innovativ ist und Standards und Regeln auf einem Gebiet etablieren will, wo es diese bisher auf UNO-Ebene überhaupt nicht gab, ist der Flüchtlingspakt eher bewahrend. Er stützt sich im Wesentlichen auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, also auf Völkerrecht, das seit vielen Jahrzehnten gilt.

Das erklärt, warum der Flüchtlingspakt am Ende weniger umstritten war als der vergangene Woche in Marrakesch beschlossene Migrationspakt. Allerdings: Diskussionen, bisweilen heftige gab es ebenfalls über die neue Vereinbarung zu Flüchtlingen. Auch der Schweizer Bundesrat beschloss erst vor wenigen Tagen, dem Flüchtlingspakt zuzustimmen.

In vielen Ländern gibt es politische Bewegungen, die eigentlich hinter den Status Quo zurückkehren wollen. Will heissen: Sie akzeptieren nicht länger den Anspruch von politisch Verfolgten und Kriegsopfern auf Asyl. Die Regierungen der USA und Ungarns vertreten diese Haltung offensiv und stellen damit das Recht auf Asyl in Frage. Im Fall der Regierung von Donald Trump kommt hinzu, dass sie sich ohnehin zunehmend multilateraler Zusammenarbeit widersetzt, also nicht zuletzt jener in der UNO, ablehnt – es sei denn ausschliesslich zu den Bedingungen Washingtons.

Nicht die wohlhabenden Länder tragen die Hauptlast

Der Flüchtlingspakt, rechtlich ebenso wenig verbindlich wie der Migrationspakt, strebt aber noch ein bisschen mehr an als bloss die Bestätigung längst geltenden Völkerrechts. Er möchte eine bessere Lastenteilung erreichen. Denn die Hauptlast der Flüchtlingsströme tragen keineswegs wohlhabende westliche Länder – was in diesen allerdings oft weitgehend ausgeblendet wird.

Von den zurzeit weltweit knapp siebzig Millionen Flüchtlingen fanden mehr als vier Fünftel Aufnahme in weniger wohlhabenden Staaten: In Uganda etwa, in Bangladesch, in Kenia, im Libanon, in Jordanien, in Pakistan oder auch in der Türkei. Vor allem den armen, teils bitterarmen unter ihnen soll künftig geholfen werden: finanziell, wirtschaftlich, aber langfristig auch mit einer besseren Verteilung der Flüchtlinge. Konkrete Vorgaben, wie viele Flüchtlinge ein Land – etwa gemessen an der eigenen Bevölkerung – aufnehmen soll, gibt es aber keine. Solche Bestimmungen wären niemals mehrheitsfähig gewesen.

Wie überhaupt die ganze, teils äusserst heftig geführte Diskussion in manchen Ländern über den Migrations- und über den Flüchtlingspakt zeigt: Ausländerpolitik, ja generell der Umgang mit Fremden ist und bleibt ein Reizthema. In UNO-Sitzungssälen und in UNO-Papieren kann noch so sehr betont werden, die Zuwanderung fremder Menschen, ob temporär oder dauerhaft, ob freiwillig oder gezwungen, sei als Chance zu verstehen. Die Realität ist eine andere.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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