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Vergebliches Hoffen auf ein liberales Simbabwe
Aus Echo der Zeit vom 28.08.2019. Bild: SRF Samuel Burri
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 22 Sekunden.

Land der Angst Simbabwes Regierung verfolgt ihre Gegner

In Simbabwe werden Aktivisten und Oppositionelle verfolgt. Wer sich offen äussert, kann nachts aus dem Haus entführt und gefoltert werden. Die Angst ist zurück.

Es ist nur eine kleine Demonstration. Eine Lehrergewerkschaft demonstriert singend vor dem Finanzministerium in Harare, der Hauptstadt Simbabwes. Sie fordern höhere Löhne. Die Polizei steht bereit – mit Knüppeln und Helmen wie aus Star-Wars-Filmen.

Rasch bildet sich eine Menschentraube. Ein Mann liegt auf dem Asphalt. Die Polizisten treten und schlagen auf ihn ein. Journalisten werden weggeschickt. Die Protestierenden werden auf einen Pickup verladen, darunter auch ihr Anwalt. Er war der Mann am Boden. Mit leerem Blick und Platzwunde am Kopf steigt er auf das Auto. Es fährt weg.

Eine ältere, weisse Simbabwerin echauffiert sich: «Ich bin sehr wütend! Wir waren bloss 20 Personen und absolut friedlich.» Sie hätten doch ein Recht darauf, ihre Besorgnis über die tiefen Löhne zum Ausdruck zu bringen. «Wir sind alle Lehrer!»

Nachts in den Busch verschleppt

Einer der Festgenommenen ist Obert Masaraure. Zwei Tage vor dem Protest trafen wir den Gewerkschaftsführer zum Interview. Auf einem Autorücksitz, abseits der Öffentlichkeit. Simbabwe ist ein Überwachungsstaat.

Leute mit Gewehren haben mich vor den Augen meiner Familie festgenommen, sie schlugen mich.
Autor: Obert Masaraure Chef der Gewerkschaft der ländlichen Lehrer

Schon zweimal holten ihn Sicherheitskräfte in zivil in der Nacht aus seinem Haus, erzählt Masaraure: «Leute mit Gewehren haben mich vor den Augen meiner Familie festgenommen, sie schlugen mich. Führten mich in den Busch.» Dort folterten sie ihn weiter. Narben auf dem Rücken zeugen davon. «Einmal dachte ich, jetzt bringen sie mich um. Einer reichte mir eine Pistole und sagte: ‘Nun können wir dich erschiessen, das wäre dann Notwehr.’»

Obert Masaraure.
Legende: Obert Masaraure, Chef der Gewerkschaft der ländlichen Lehrer (ARTUZ), wurde schon zweimal von Sicherheitskräften in zivil aus seinem Haus verschleppt und gefoltert. SRF

Schliesslich landete Masaraure auf einem Polizeiposten, wurde angeklagt, die Regierung stürzen zu wollen, sass zwei Wochen im Gefängnis und kam dann frei auf Kaution. Wenige Monate später wiederholte sich die Szene, nachdem er in einem Interview die Regierung kritisiert hatte.

Inflation über 175 Prozent

Der Gewerkschaftsführer hat Angst. Angst um seine Familie, Angst um sein Leben. Doch er will weiter für würdige Lehrerlöhne kämpfen. Für Masaraure ist klar: «Nur ein paranoider Staat greift seine Bürger so an. Sie wollen jeglichen Protest im Keim ersticken. Ich weiss, sie haben Angst!»

Grund zum Protestieren gibt es genug. Simbabwe kämpft mit riesigen Herausforderungen. Die Inflation liegt bei über 175 Prozent, die Löhne sind nichts mehr wert. Benzin, Strom, Bargeld – alles ist Mangelware. Doch der Staat reagiert auf den Unmut der Bevölkerung mit Repression.

Teile und herrsche

In seinem Büro in einem Hochhaus sitzt Menschenrechtsanwalt Kudzai Kadzere hinter Bergen von Akten. Er kritisiert das Regime: «Am Tag reden sie von Freiheit und sagen: Wir sind eine neue Regierung und machen es anders. Aber in der Nacht geht es weiter wie zuvor.»

Immer wieder kommt es zu nächtlichen Entführungen. Die Organisation Amnesty International schreibt von einem «systematischen und brutalen Angriff auf die Menschenrechte». Zuletzt wurde eine populäre Komikerin verschleppt, geschlagen und gezwungen, Abwasser zu trinken.

Kudzai Kadzere am Schreibtisch.
Legende: Kudzai Kadzere ist Menschenrechtsanwalt in der Hauptstadt Harare. Er bezeichnet Simbabwe als «paranoiden Staat». SRF

Viele Simbabwer sind empört, doch kaum jemand wehrt sich. Die Gesellschaft sei gespalten, sagt der Anwalt: «Robert Mugabe hatte die Kunst perfektioniert, die Nation zu spalten. So schliessen sich die Leute nicht zusammen.» Die Regierung von Mugabes Nachfolger Emmerson Mnangagwa versprach, offen für andere Meinungen zu sein. Es sieht bisher nicht danach aus.

Kritik aus dem Westen

Westliche Staaten kritisieren das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Regierung Simbabwes reagiert verstimmt und beschuldigt wiederum den Westen, mit der Opposition zusammenzuspannen. Wenn die Gewalt weitergeht, dann wird der Westen seine Sanktionen gegen Simbabwe nicht aufheben. Und so bleibt die Wirtschaft am Boden.

Ist Simbabwe ein hoffnungsloser Fall? Menschenrechtsanwalt Kadzere widerspricht: «Simbabwe ist nicht hoffnungslos. Wir arbeiten hart, sind smart, sogar in Harvard findet man Professoren aus Simbabwe.» Doch aus der Krise kämen die Simbabwer nur gemeinsam, sagt er.

Der Gewerkschaftsführer Masaraure wurde einmal mehr auf Kaution freigelassen. Diesmal muss er sich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses vor Gericht verantworten.

In Simbabwe regiert weiterhin die Angst.

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