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Mafia-Hochburg Ostia Die ehrenwerte Gesellschaft logiert vor Rom

Erschreckend abgeklärt bauen die Clans an ihren Filialen. Ein Besuch offenbart, wie das Verbrechen wuchert.

Sie heissen Spada, Fasciani oder Triassi. Drei Mafiaclans, die Ostia, den Römer Vorort am Meer, unterwandert haben. Einem Journalisten der RAI, der sich nach Ostia gewagt hatte und über die Zustände dort berichten wollte, wurde vor laufender Kamera das Nasenbein gebrochen. Von einem Mitglied der Spada-Familie.

Die Botschaft war klar: Hier regieren wir. Am Sonntag wird in Ostia die neue Regierung gewählt. Nachdem die Vorgänger allesamt wegen mafiöser Unterwanderung abgesetzt wurden. Einer, der den Ort während dieser Zeit ohne gewählte Behörden zwangsverwaltete, ist Alfonso Sabella.

Sie morden weniger als die sizilianische Mafia. Aber das ist nur auf den ersten Blick ein gutes Zeichen.
Autor: Alfonso Sabella

«Während meiner Zeit in Ostia habe ich stets einen Revolver auf mir getragen», sagt Sabella. Man nimmt das dem Mann im feinen Anzug nicht auf Anhieb ab. Als man ihn als Kommissar nach Ostia schickte, habe er als erstes den Fitnessclub des Spada-Clans geschlossen: «Roberto Spada, der Boss des Clans, hatte seinen Fitnessclub ausgerechnet in einer städtischen Liegenschaft eröffnet», berichtet Sabella. Missbräuchlich sei das gewesen, und darum habe er den Club schliessen können.

Allein diese Begebenheit zeigt: die Spadas und die anderen Familien haben sich in der öffentlichen Verwaltung festgekrallt, haben Teile davon, städtische Liegenschaften etwa, gekapert, zum Teil weiterverhökert. Sabella nennt ein weiteres Beispiel: «Der Triassi-Clan hatte eine der lukrativen Bars direkt am Meer übernommen, das heisst, sich die staatliche Konzession dafür durch Bestechung erschlichen.»

Verfhaftung des Mafia-Mitglieds nach der Attacke auf den RAI-Journalisten
Legende: Der Mafioso wurde nach der Attacke auf den RAI-Journalisten festgenommen. Keystone

Die Clans erpressen aber auch den Pizzo, das Schutzgeld, oder kontrollieren den Drogenhandel. Die Justiz ermittle zwar, es gebe auch Urteile, aber zu wenige. Wie konnte es soweit kommen, dass sich in Ostia, einem Teil der italienischen Hauptstadt, mafiöse Familien derart festsetzen? «Man hat in Ostia mehr als an anderen Orten illegale Machenschaften toleriert», erklärt Sabella.

Dunkle Geschäfte im toten Winkel

Genau das habe den Appetit der Clans nur noch vergrössert. Zudem hat Ostia einen Hafen. Das begünstige den Drogenschmuggel. Und Ostia sei zwar ein Teil der Hauptstadt, liege aber doch weit abseits, in einem toten Winkel sozusagen. Hier, mit Blick aufs Meer, hätten sich in den 1960er- und 70er-Jahren Mafiosi aus Süditalien niedergelassen und mit lokalen Kriminellen zusammengetan.

Sabella, der in Sizilien geboren wurde und die sizilianische Cosa Nostra bestens kennt, sagt: Heute unterscheiden sich Ostia und Sizilien kaum. Der einzige Unterschied sei, dass die Mafia von Ostia seltener morde, das letzte Mal 2011.

Das aber sei nur auf den ersten Blick ein gutes Zeichen, denn es heisse, dass die Mafia das Terrain so gut aufgeteilt habe, dass es zu keinen Kämpfen oder Abrechnungen unter den Clans komme.

Im Gegenteil. Ihnen gelinge es, mit Drohungen und Einschüchterungen nahezu alles zu kontrollieren. So gebe es in Ostia deutlich mehr Brandstiftungen als im übrigen Rom. Das heisst: Wer aufmuckt, dem werde zuerst die Garage und später das Haus angezündet.

Die Clans kontrollierten das Terrain aber auch mit Wohltaten: «Die Fasciano, die Spada, die Triassi helfen Bedürftigen», sagt Sabella. Dort wo der italienische Sozialstaat versage, springen Kriminelle in die Lücke, mit dem Pacchetto, also Lebensmitteln, oft auch mit Geld oder noch besser mit einem Job. So sicherten sich die Clans Loyalität, vor allem aber das Schweigen, die Omertà.

Mit dieser Ruhe ist es nur vorbei, weil einer der Spada mitten im Wahlkampf einem Journalisten der RAI vor laufender Kamera das Nasenbein brach. Das habe Ostia auf einen Schlag ins grelle Scheinwerferlicht aller nationalen Medien katapultiert: «Ich befürchte, dass diese Aufmerksamkeit bald wieder nachlässt», sagt Sabella.

Sabella spricht aus Erfahrung. Er war lediglich kurz Kommissar in Ostia. Als er abzog, kehrten die Clans zurück. «Die Spada haben ihren Fitnessclubs neu eröffnet, die Triassi holten sich die Strandbar zurück. Ostia kehrte zurück zu seiner Normalität», klagt Sabella und warnt: Ostia habe mit seinen 280'000 Einwohner eine fast doppelt so grosse Bevölkerung wie Reggio, die grösste Stadt Kalabriens.

Verliere der Rechtsstaat Ostia, verliere er damit ein grosses Gemeinwesen und ein noch grösseres Stück Glaubwürdigkeit.

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