Was ist passiert? «Nur elegante und gesittete Frauen erlaubt»: Das steht an der Tür eines Fitnessstudios nahe der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Das Zutrittsverbot gilt für Frauen mittleren Alters, sogenannte «Ajumma», die sich offenbar nicht respektvoll gegenüber anderen Fitnesstreibenden verhalten. Einem Bericht von «BBC» zufolge sollen sie über die Figuren anderer Gäste lästern, in der Garderobe stundenlang ihre Wäsche machen und Seifen, Tücher oder Föhne klauen.
Wie fallen die Reaktionen aus? Obwohl lediglich ein Fitnessstudio eine solche Massnahme ergriffen hat, scheint sie den Nerv der Gesellschaft getroffen zu haben. «Wie kann der Begriff ‹schlechter Kunde› mit «Ajumma» gleichgesetzt werden?», heisst es in einem Kommentar auf Social Media. «Wenn ihr in der Dienstleistungsbranche gearbeitet hättet, wüsstet ihr, dass nicht nur ältere Frauen in diese Kategorien fallen», heisst es in einem anderen. Gemäss dem Journalisten und Ostasien-Kenner Fabian Kretschmer gibt es aber auch Menschen, die das Verbot befürworten und solche, die sagen, dass es nicht um das Verbot selbst gehe, sondern um einen respektvolleren Umgang miteinander.
Wie erklärt sich das Fitnessstudio? Es verteidigt sich mit einem zusätzlichen Hinweis, der zwischen «Ajumma» und Frauen zu unterscheiden versuchte. Darauf heisst es, dass «Ajumma» dazu neigten, «unabhängig von ihrem Alter kostenlose Dinge zu mögen», und dass sie «mit ihrem eigenen Geld geizen, aber nicht mit dem Geld anderer Leute». Gegenüber der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap sagte der Besitzer des Studios, er habe nicht versucht, einen Hasskommentar gegen ältere Frauen oder Frauen im Allgemeinen abzugeben.
Verhalten sich nur Frauen so in Südkorea? Die Psychologieprofessorin Park Sang-hee von der staatlichen Universität in Chungbuk sagte in einem Interview mit dem südkoreanischen TV-Sender JTBV, dass sich auch Männer unhöflich verhalten würden. «Ältere Männer sind auch besessen von kostenlosen Dingen», so die Professorin.
Wie verbreitet ist Diskriminierung in Südkorea? Sie ist laut Kretschmer weit verbreitet. Südkorea sei eine der wenigen Industrienationen, in welcher keine modernen Antidiskriminierungsgesetze gelten. Diskriminierung ist dort also legal. Entsprechende politische Vorstösse, dies zu ändern, würden stets an einer homophoben Lobby unter fundamentalen Christen scheitern, die den Schutz von sexuellen Minderheiten ablehnten. Laut Kretschmer fehlt ein gewisses Problembewusstsein hauptsächlich bei älteren Generationen.
Welche Rolle spielen die Männer bei der Diskriminierung? Eine «sehr problematische», sagt Südkorea-Kenner Kretschmer. Gerade diese Generation sei sehr patriarchal und machistisch. Aber auch sie erlebten Diskriminierung. Kretschmer sagt dazu: «Die südkoreanische Gesellschaft, die traditionell konfuzianisch, also Respekt gegenüber Älteren zollt, aber auch kollektivistisch geprägt ist, ist mittlerweile ziemlich fragmentiert.»
Wie erklärt sich diese Entwicklung? Die südkoreanische Gesellschaft teilt sich grob gesagt in zwei Gruppen ein: die westlich orientierten Jungen und die traditionell volkstümlichen Älteren. Die Jüngeren wehren sich gegen gesellschaftlichen Konventionen: «Viele haben es satt, dass Leute nur deshalb Autoritäten sind, weil sie älter sind, nicht wegen Leistungen oder anderer Verdienste», so Kretschmer.